Nick Kyrgios gilt als Bad Boy des modernen Männer-Tennis – entweder wird er gemocht oder gehasst. Vergleichbar mit dem exzentrischen, portugiesischen Fussballspieler Cristiano Ronaldo. Er ist bekannt dafür, schrille Frisuren und Outfits zu tragen, einen extremen Charakter zu haben und sich gerne mal mit den Stuhlschiedsrichtern anzulegen. Auf dem Court hatte er in Vergangenheit immer wieder mit Wutausbrüchen für Aufsehen gesorgt. Dafür musste er auch schon saftige Bussen bezahlen.
Doch zuletzt zeigt er während der Corona-Pandemie ein ganz anderes, ungewohnt nachdenkliches und fürsorgliches Gesicht. In diversen Videos meldet er sich immer wieder zu Wort und fordert die Menschen und die anderen Tennis-Profis dazu auf, im Kampf gegen die Corona-Pandemie die Vernunft walten zu lassen.
Karriereende war nah
In der australischen Tageszeitung «The Age» gab er nun ein Interview. Er spricht darüber, dass er kurz davor stand, mit dem professionellen Tennis-Sport aufzuhören und andere Dinge zu tun, die ihn glücklich machen.
Der Australier kann mit dem Druck und den hohen Erwartungen, die an seine Person gestellt werden, nicht umgehen. «Du lebst kein normales Leben mehr.» Er gesteht, zu Beginn dieses Jahres die Lust am Tennis komplett verloren zu haben. «Ich konnte keinen Tennisplatz mehr sehen! Ich fühlte mich, als wäre niemand an mir als Person interessiert. Alle sahen mich nur als Tennisspieler und wollten mich benutzen. Ich verlor die Freude am Spiel und geriet ausser Kontrolle.»
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Um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und seine Depressionen zu behandeln, begab er sich zu einem Psychologen. Seiner Meinung nach half ihm das aber nicht weiter. «Der Psychologe konnte mir nicht wirklich helfen. Ich habe das Gefühl, dass alles, was diese Leute mir sagten, falsch war. Ich bin selbst aus dieser Situation herausgekommen, wenn ich ehrlich bin.»
Corona-Zwangspause zum richtigen Zeitpunkt
Vielmehr glaubt der 25-Jährige, dass die Corona-bedingte Zwangspause für ihn genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen ist. «Diese Zeit ohne Matchs, ohne Ernstkampf, haben mir gut getan. Ich konnte so meine Batterien wieder aufladen», sagt er. Deshalb verzichtet er in diesem Jahr auch auf eine Teilnahme an den US Open und an Roland Garros. Stattdessen widmet sich Kyrgios seiner Stiftung, welche sich für benachteiligte Kinder einsetzt.
Was ihm auch immer wieder zu schaffen macht, ist der Tod seiner Grossmutter. Er hatte ein gutes Verhältnis zu ihr, konnte aber bei ihrem Ableben nicht dabei sein. Dass er damals irgendwo auf der Welt unterwegs war und deshalb keine Zeit für sie hatte, bereut er und macht ihn traurig. «War es wirklich so wichtig, was ich tat?», hinterfragt er sich. Er trägt nun ein Tattoo auf seinem Körper, welches ihn immer an seine verstorbene Grossmutter erinnert.
«Zufrieden was ich bisher erreicht habe»
Im nächsten Jahr möchte er wieder auf die ATP-Tour zurückkehren und wenn möglich noch einige Turniere gewinnen. Aber auch wenn ihm das nicht gelingen sollte, ist er zufrieden. «Ich liebe die Art und Weise, wie sich meine Karriere entwickelt hat. Ich habe alles auf meine Weise getan . Ich habe allen gezeigt, die dachten, ich könnte es nicht tun, dass sie falsch lagen. Ich habe das Gefühl, dass ich vielen Menschen Hoffnung gegeben habe, dass ich ihnen gezeigt habe, dass es eine andere Art gibt, Dinge zu tun. Ich habe das Gefühl, dass ich nichts mehr zu beweisen habe. Ich habe fast jeden Spieler auf der Tour geschlagen und es auf meine Weise getan. So einfach ist das.» (red)