Jannik Sinner (22, ATP 4) gehört aktuell zu den heissesten Eisen der Tennis-Welt. Der junge Italiener gewann zwei seiner vergangenen drei Turniere. Sowohl in Wien als auch an den China Open stemmte er in diesem Herbst den Pokal in die Höhe. Auch am Masters-Turnier in Paris-Bercy, das seit Montag läuft, zählte Sinner zu den Mitfavoriten.
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Aber in Paris wird der Shootingstar aus dem Südtirol titellos bleiben. Und das, obwohl er sein Zweitrunden-Match gegen den US-Amerikaner Mackenzie McDonald (28, ATP 42) meistert. Im Achtelfinal hätte gestern Abend Alex de Minaur (24, ATP 13) gewartet. Doch das Spiel findet nicht statt. Denn Sinner verzichtet freiwillig.
Entscheidung für Gesundheit und Körper
Grund für den überraschenden Rückzug des Tennisstars ist die Terminierung der Organisatoren. Sinners Partie gegen McDonald dauerte bis in die frühen Morgenstunden, erst um 2.37 Uhr stand sein Sieg fest. Das Problem: Am Donnerstag um 17 Uhr, also noch am selben Tag, hätte er gegen de Minaur bereits wieder auf dem Court stehen sollen. Eine Zumutung, die er sich nicht antun will.
«Ich hatte weniger als 12 Stunden Zeit, mich auszuruhen und mich auf das nächste Spiel vorzubereiten», erklärt Sinner seinen Rückzugsentscheid auf X. «Ich muss die richtige Entscheidung für meine Gesundheit und meinen Körper treffen.» In den nächsten Wochen stehen für ihn die ATP Finals in seiner Heimat und der Davis Cup an. «Jetzt konzentriere ich mich auf die Vorbereitung dieser wichtigen Turniere», schreibt er.
Sinners Verzicht schlägt in der Szene hohe Wellen. Sein Konkurrent Casper Ruud (24, ATP 8) etwa findet deutliche Worte. «Bravo, ATP Tour!», schreibt er ironisch auf X. Und schiebt in Richtung der Verantwortlichen nach: «Was für ein Witz!»
Auch Vasek Pospisil (33, ATP 287) kritisiert die Organisatoren scharf. «Die ATP Tour hat sich noch nie um die Spieler gesorgt», sagt der Kanadier, der sich in der PTPA von Novak Djokovic engagiert, einer Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Interessen der Tennisstars gegen die ATP zu verteidigen. «Im Jahr 2018 beendete ich ein dreistündiges Spiel um 00.45 Uhr und sollte dann am nächsten Tag um 13 Uhr bereits wieder spielen. Kein Scherz. Alles, was man mir damals sagte, war: Das liegt im Rahmen der Regeln.» Pospisil trat an, bezahlte das aber teuer. «Ich erlitt im Spiel einen Bandscheibenvorfall, wurde operiert und fiel neun Monate lang aus.»
Ein solches Schicksal will Sinner mit seinem Rückzug verhindern. Ein Entscheid, der deutlich macht, dass die starren ATP-Spielpläne Überholung bitter nötig haben. Das sieht auch Beni Linder so. Der Headcoach Kondition bei Swiss Tennis bezeichnete jüngst gegenüber Blick Match-Ansetzungen in der Nacht als eine «krankhafte Entwicklung», die langfristige Folgen für die Gesundheit der Athleten habe. (sbe)