Im Januar 2020 fand mit den Shenzhen Open das letzte WTA-Turnier in China statt. Zuerst sorgte die Covid-Pandemie für einen Stopp im Tennis-Zirkus, danach das Verschwinden von Peng Shuai. Die WTA wartet nach wie vor auf Antworten, was das Wohlbefinden der 36-Jährigen angeht, und verzichtet dafür auf viel Geld.
Rückblick: Ein Jahr ist es her, dass Shuai dem ehemaligen Vizepremierminister Chinas, Zhang Gaoli, sexuellen Missbrauch vorwarf. In der Folge verschwand sie aus der Öffentlichkeit, und die Sport-Welt hegte Sorgen um ihr Wohlbefinden. Es gipfelte gar im diplomatischen Olympia-Boykott einiger Nationen. Die zweifache Major-Siegerin zog die Vorwürfe zurück, sprach mehrfach in Interviews von einem Missverständnis. Doch die Tennis-Vereinigung hat weiter Bedenken und wartet auf Antworten.
«Werden unsere Prinzipien nicht aufgeben»
In einem Interview mit «The New York Times» bekräftigt CEO Steve Simon die Position der WTA: «Wir haben einen starken Standpunkt eingenommen, hinter dem wir stehen, und wir werden unsere Prinzipien nicht aufgeben. Als wir das taten, war uns klar, was das bedeuten könnte.» Sie verlieren Geld – viel Geld. 2019 fanden erstmals die WTA Finals in Shenzhen statt und sorgten gleich für ein Rekord-Preisgeld von 14 Millionen US-Dollar. Auch die nächsten neun Austragungen hätten im Südosten Chinas stattfinden sollen.
Stattdessen sprang 2021 Guadalajara ein, dieses Jahr Fort Worth (USA). In Texas wurden «nur» noch fünf Millionen US-Dollar ausgeschüttet. Nebst den Finals hat die WTA auch eine Lösung für das rund halbe Dutzend China-Turniere (darunter zwei 1000er) finden müssen. Besonders nach den US Open mangelte es da an Optionen für die Spielerinnen. Darum ist auch Simon interessiert, eine Lösung zu finden. Das Wichtigste ist aber: «Was ist die Wahrheit? Dann können wir weitermachen.»
Aktuell verhindert die strikte Null-Covid-Strategie Chinas internationale Events im Land. So soll auch der Formel-1-GP im April 2023 vor der nächsten Absage stehen. Die Männer-Tour sehe indes wieder vor, ins Reich der Mitte zurückzukehren, sobald die Politik gelockert wird.
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Zuletzt bei Olympia gesehen
Ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte Shuai bei den Olympischen Spielen in Peking, als sie mit IOC-Präsident Thomas Bach den Big-Air-Final der Frauen verfolgte. Seitdem herrscht Funkstille. Einer, der losen E-Mail-Kontakt zu ihr haben soll, ist David Haggerty, Präsident vom Tennisweltverband (ITF). «Es wäre schön, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und ich freue mich darauf, wenn ich zu den Veranstaltungen nach China reisen kann und wenn sie in der Lage ist, auch ausserhalb Chinas zu reisen», sagte er im August zu Sky News.
Haggerty dürfte Shuai bis heute nicht getroffen haben. Auf Blick-Anfrage heisst es: «Die ITF hat von Peng Shuai die Zusicherung erhalten, dass es ihr gut geht, aber wir werden uns weiterhin um ihre Sicherheit bemühen. Unsere oberste Priorität ist, dass wir weiterhin im Sinn ihrer Sicherheit handeln.» Darüber hinaus gibt es keinen weiteren Kommentar.
Hanno Schedler, Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, ist sich hingegen sicher, dass Shuai keine Freiheit geniesst. «Sie ist keinen Moment frei. Ich glaube, dass sie weiterhin unter Zwängen steht, die wir uns nur ansatzweise vorstellen können», sagt er der DPA. Der Menschenrechtsaktivist geht davon aus, dass sie seit einem Jahr eine Gefangene des Staates ist. «Eine Gefangene insofern, dass sie sich wahrscheinlich nicht frei bewegen und sich nicht frei äussern kann. Der Staat hat genug Druckmittel.»