Die schönsten Karriere-Momente des Sand-Königs Rafael Nadal
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22 Grand-Slam-Titel:Die schönsten Momente des Sand-Königs Rafael Nadal

Rafael Nadal sagt Adios – Günthardt adelt Legende
«Diese Duelle mit Federer konnten niemanden kaltlassen»

Sandkönig, Tiefstapler, Federer-Rivale und -Freund: Mit Rafael Nadal tritt ein Tennis-Gigant zurück, der sich trotz Rückschlägen immer wieder zu Höchstleistungen pushte – und auf seinem Lieblingsbelag Fussstapfen hinterliess, die vielleicht nie mehr erreicht werden.
Publiziert: 10.10.2024 um 13:06 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2024 um 16:28 Uhr
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Mit Rafael Nadal verliert der Tennissport einen seiner grössten Athleten.
Foto: imago/UPI Photo
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Marco PescioReporter Sport

Es wäre kein typischer Nadal-Move gewesen, wenn er in diesem Jahr die bereits vorbereitete Zeremonie für ihn an den French Open nicht dankend abgelehnt hätte. Nein, er fühlte sich noch nicht bereit, Paris und damit dem Ort seiner grössten Erfolge Adios zu sagen. Nein, er wisse noch nicht, ob dies tatsächlich sein letztes Grand-Slam-Turnier in Roland Garros gewesen sei. Ein Nadal-Klassiker. Kämpfen bis zum Schluss. Immer daran glauben, noch einen draufsetzen zu können.

Nun wird Rafael Nadal (38) – rund sechs Monate nach der ausgelassenen Feier in Paris – bei den Davis-Cup-Finals im November tatsächlich zurücktreten. Im beruhigenden Glauben allerdings, wirklich alles aus ihm und seiner Karriere herausgeholt zu haben. Wie er es schon seit seiner ersten richtigen Profisaison 2003 gemacht hat. «Diese Lust auf den Wettkampf, dieses Feuer! Es gibt keinen vergleichbaren Spieler», sagt auch Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt (65), der den Weg des Mallorquiners über all die Jahre auf der Tour verfolgt und einen Grossteil seiner wichtigsten Matches als TV-Kommentator analysiert hat.

Schlimme Erinnerung an Sand-Duell gegen Nadal

Günthardt schaut zurück: «Was mich direkt ansprang, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war diese enorme Intensität, die er an den Tag legte. Sei es im Spiel, aber auch, wenn er trainierte. Er spielte jeden nächsten Punkt mit allem, was er im Tank hatte. Es gab keine Alternative. Er war schlicht eine Naturgewalt.»

Günthardt, einst selbst Profi und später Coach von Weltklassespielerinnen wie Steffi Graf (55), Jennifer Capriati (48) und Ana Ivanovic (36), erinnert sich an eine Golfpartie mit dem früheren Top-10-Spieler Tomas Berdych (39): «Irgendwann habe ich ihn auf dem Green gefragt, was das schlechteste Gefühl war, das er je auf dem Tennisplatz hatte. Und er sagte: Gegen Rafa auf Sand zu spielen sei in etwa so, wie wenn dir jemand mit dem Knie ständig auf die Brust drückt. Du kommst nicht zum Atmen.»

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Spezielle Rivalität mit Roger Federer

Nadals irrwitzige Dominanz auf Sand drückt sich in ebenso irrwitzigen Statistiken aus. 63 Turniersiege auf dieser Unterlage stehen in seiner Karriere zu Buche, darunter die sagenhaften 14 French-Open-Titel, von denen Günthardt sagt: «Wenn es eine Zahl gibt, von der ich nie glaubte, dass sie möglich ist, dann ist es diese.» Und was ihn ebenfalls beeindruckt, ist Nadals einstige Siegesserie auf Sand, die zwischen 2005 und 2007 ganze 81 Partien andauerte und erst in Hamburg von Roger Federer (43) gestoppt wurde.

In jenen Jahren entwickelte sich zwischen Nadal und dem damaligen Dominator Federer eine Rivalität, welche die Tenniswelt jahrelang in ihren Bann ziehen sollte – und zu der später auch noch der heutige Grand-Slam-Rekordmann Novak Djokovic (37) dazustiess. «Doch Federer vs. Nadal war etwas ganz Besonderes», so Günthardt: «Sie haben die Popularität dieses Sports um ein X-Faches gesteigert. Es war der Kontrast zwischen ihnen, der es so interessant machte. Da war auf der einen Seite Roger, der an Eleganz nicht zu überbieten war und der im schicken Cardigan auf den Platz lief. Und auf der anderen Seite gab es diesen jungen, wilden Linkshänder von der Mittelmeerinsel Mallorca, der im ärmellosen Shirt aufkreuzte und seinen enormen Bizeps präsentierte. Diese Duelle konnten niemanden kaltlassen.»

Für Günthardt ist klar: «Die Initialzündung dieses epischen Wettstreits kam aus meiner Sicht von Nadal. Auch Federer hatte damals noch nie eine solche Intensität gespürt. Er merkte schnell, dass er neue Lösungen suchen musste.»

Zahlen sprechen für den Spanier

Am Ende sollte Nadal seinen Weggefährten und guten Freund, zu dem er über die Jahre wurde, in so manchen Kennzahlen überflügeln. Mit seinen 22 Grand-Slam-Trophäen hat er deren zwei mehr gewonnen als Federer. Und in den Direktduellen liegt der Spanier mit 24:16 ebenfalls vorn. Doch trotz all der hart umkämpften Affichen, darunter der für manche Beobachter beste Match aller Zeiten im Wimbledon-Final 2008 (Nadal gewann in fünf Sätzen), haben es die beiden geschafft, menschlich zueinanderzufinden.

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Unvergessen, wie die beiden Tennis-Legenden beim Laver Cup 2022, als Federer zurücktrat, schluchzend Händchen hielten. Und wie legendär die Rivalität tatsächlich war, zeigt sich auch daran, dass das Wimbledon-Endspiel von 2008 in «Strokes of Genius» sogar verfilmt wurde.

Körper bremste ihn immer wieder aus

Im Vergleich zu Djokovic (24 Grand-Slam-Siege) ziehen allerdings sowohl Nadal als auch Federer den Kürzeren. Sowohl im Head-to-Head als auch in der Anzahl Majors. Günthardt sagt hierzu: «Die Diskussion nach dem Grössten aller Zeiten kann man ewig führen. Es ist Ansichtssache. Kommts auf die Zahlen an? Auf die Spielart? Auf die Konstanz? Man kann hier immer auf ein anderes Resultat kommen. Bei der Frage nach dem Sandkönig gibt es aber keine Zweifel – da ist Rafa die klare Nummer eins. Auf diesem Belag war er unglaublich.»

Undenkbar erscheint gleichzeitig, wie viele physische Probleme Nadal in seiner Karriere über sich ergehen liess und er trotzdem derart viele Erfolge feierte. 17 (!) Grand Slams verpasste er, weil ihn der Körper ausbremste. Knie, Hüfte, Rücken, Oberschenkel, Fuss, Bauchmuskeln – es gibt heute kaum einen Körperteil, an dem er noch keine Blessur aufweisen kann. Oft biss Nadal durch, noch öfter setzte er auf Schmerzmittel. Und zwischenzeitlich liess er sich gar den Fuss betäuben. Kurz: Er fand trotz seines Abnützungsspiels immer eine Lösung, um doch antreten zu können. Und das, obwohl es schon früh niemand für möglich gehalten hätte, dass ausgerechnet «Rafa» eine so lange Karriere führen können wird.

Günthardt sagt: «Nadal konnte sich immer wieder neu erfinden. Früher war er brutal schnell und athletisch wie von einem anderen Stern. Irgendwann aber war seine Beinarbeit nicht mehr dieselbe, also fand er Möglichkeiten, wie er weiterhin erfolgreich sein konnte. Er schuftete wie verrückt und zeigte gleichzeitig allen Kritikern, dass er eben doch ein feines Händchen hatte – und nicht alles mit der guten Physis machte. Und ebenso erstaunlich war, dass er bei all seinen körperlichen Problemen nie Ausreden suchte.»

Sein Liebesleben – ohne Skandale

Nadal galt auf der Tour bis zum Schluss als der gross gewordene, nette Junge von nebenan. Er grüsste stets freundlich, spuckte keine grossen Töne, zeigte seine wilde Seite nur auf dem Platz. Er bot keine Fläche für Skandalgeschichten, hielt auch sein Liebesleben – er heiratete seine Jugendfreundin Xisca Perello (36), mit der er den 2022 geborenen Sohn Rafael Junior hat – weitgehend privat. Nur seine 2024 eingegangene Kooperation mit Saudi-Arabien brachte Kritiker aufs Tapet.

Ansonsten gab er sich sympathisch bescheiden und zurückhaltend. Günthardt erinnert sich gut daran, wie Nadal selbst zu seinen besten Zeiten in Paris erklärte, erst einmal froh zu sein, wenn er es in die zweite Turnierwoche schaffen würde: «Manchmal machten wir am TV Witze darüber. Wir mussten immer wieder schmunzeln, wenn er tief gestapelt hat – das war teilweise fast schon lächerlich, weil er so gut war.»

Profis wollten nicht mit Nadal trainieren

Günthardt ist sich sicher, dass Nadals Art und Weise, wie er sich gab, und vor allem aber sein Arbeitseifer auf viele andere Spieler auf der Tour abgefärbt hat: «Sie merkten plötzlich: Aha, so hart muss ich an mir arbeiten, wenn ich auch erfolgreich werden will! Also schoben sie gleich noch eine Einheit hinterher.» Allerdings nur selten mit Nadal, wie Günthardt mit einer vielsagenden Anekdote erklärt: «In Paris war es teilweise so, dass niemand mit ihm trainieren wollte. Sie stellten ihm Junioren hin, die ihm die Bälle reinspielten – denn die Profis hatten keine Lust, sich vor dem nächsten Match demoralisieren zu lassen.»

Mit der Intensität seiner Schläge hat der Ausnahmekönner seine Widersacher schlicht überfordert. Oder wie Günthardt es ausdrückt: «Bei Rafa gabs eben nur Vollgas!»

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