Wie will man jemand einordnen, der alles verschiebt, was man vermeintlich weiss. Niemand kann 35-jährig verletzungsbedingt sechs Monate aussetzen und den zweitlängsten Grand-Slam-Final der Geschichte in fünf Sätzen gewinnen. Nicht auf der Unterlage, die er am wenigsten mag, nicht gegen den amtierenden US-Open-Champion, der 10 Jahre jünger ist, nicht wenn er mit zwei Sätzen in Rückstand gerät. Noch nie hat es ein Spieler in der Geschichte der Australian Open geschafft, im Final einen Zweisatz-Rückstand wettzumachen.
Ich weiss nicht, wie Rafael Nadal diesen Sieg in sein Palmarès einreihen wird. Für mich ist es der grösste Sieg in seiner Karriere. Nicht nur wegen allem was ich bereits erwähnt habe.
Jeder weiss, dass ein Athlet möglichst verletzungsfrei bleiben muss, um eine lange Karriere zu haben. Bei Nadal gibt es kaum einen Körperteil, der nicht schon lädiert war: Der Fuss, die Knie, der Rücken, das Handgelenk, die Hüfte – die Liste ist endlos.
Dieser Sieg stimmt nachdenklich
Zudem braucht es einen ökonomischen Spielstil, um in diesem Alter mit den Jungen mithalten zu können. Als sicher galt auch, dass sich das Spiel jedes Jahr weiterentwickelt, es immer athletischer wird. Nadal spielt weder kraftsparend, noch ist er während der letzten Verletzungspause schneller geworden.
Ja, Rafas Sieg stimmt nachdenklich. Und das ist gut so. Viel zu oft ist zu hören, wie die Dinge sind. Nadal hat heute eines bewiesen: Wer den Blick hebt, kennt keine Grenzen.
Macht der 21. Grand-Slam-Titel ihn nun zum grössten Tennisspieler aller Zeiten? Schwierig einzuschätzen. Er ist der grösste Kämpfer, der jemals einen Tenniscourt betreten hat, Roger Federer der eleganteste Champion aller Zeiten und Novak der konstanteste.
Rafa hat neu 21 Major-Titel gewonnen, einen mehr als Novak und Roger. Das ist ein Fakt – und das einzige, was wir wirklich wissen.