Ex-Djokovic-Trainer Ivanisevic
«Du hast nur wenige Sekunden, um Novak etwas zu erklären»

Goran Ivanisevic gewährt Einblick ins Leben als Coach von Rekordchampion Novak Djokovic, den er bis vor wenigen Wochen trainierte – und sagt, weshalb er den Job trotz enormem Druck genoss.
Publiziert: 13.05.2024 um 19:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2024 um 20:19 Uhr
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«Novak ist fordernd»: Goran Ivanisevic war lange Coach der Weltnummer eins.
Foto: keystone-sda.ch
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Marco PescioReporter Sport

Novak Djokovic befindet sich weniger als zwei Wochen vor den French Open noch immer in einer Formkrise. Der Serbe, der 2024 noch ohne Turniersieg dasteht, schied in Rom in Runde drei aus. Seine Umstellungen in diesem Frühjahr tragen noch nicht die gewünschten Früchte – er hatte sich erst von Erfolgstrainer Goran Ivanisevic und dann auch von Fitnesscoach Marco Panichi getrennt. Mit beiden verbindet er trotzdem noch eine Freundschaft. Doch jetzt soll ihn Nenad Zimonjic rechtzeitig für Roland Garros (ab 26. Mai) wieder aufbauen. Auch wenn die Zeit dafür knapp ist.

Welch grosse Herausforderung die Zusammenarbeit mit Djokovic darstellt, lässt Ivanisevic in einem Webinar mit Coaches von Swiss Tennis durchblicken. Der 52-jährige Kroate, der als Profi 2001 in Wimbledon gewann und mit Djokovic sagenhafte neun Major-Titel als Trainer holte, über …

…die Erwartungshaltung an seinen Job als Djokovic-Coach:

«Nun, wenn man Novak Djokovic trainiert, ist bei jedem Turnier alles andere als der Titelgewinn ein Scheitern. Das ist ein enormer Druck, mit dem man klarkommen muss. Novak ist sehr fordernd. Jeden Tag muss etwas Neues passieren, er will immer besser werden. Wenn man damit nicht umgehen kann, nimmt man die Stelle lieber gar nicht erst an. Mir hat sicherlich die Sprache geholfen – wir hatten da keine Barriere zwischen uns. Bei Novak ist es so: Man hat nur wenige Sekunden Zeit, um ihm etwas zu erklären. Er will dann 15 Sachen auf einmal von dir wissen, aber dir bleiben nur drei Sekunden dafür. Also musst du versuchen, alles irgendwie clever zusammenzufassen. Das kann hart sein, aber ich habe es mit Novak genossen.»

…die Förderung von Djokovics Spiel:

«Es ist sehr schwierig, bei ihm Schwachstellen auszumachen. Ist es eine Schwäche, wenn er nach 25 Ballwechseln mal einen Schlag vergeigt? Was wir aber gemacht haben: Wir arbeiteten viel an seinem Service, speziell am zweiten Aufschlag. Dazu kamen das Positionsspiel am Netz und die Volleys. Es ging um Details auf diesem hohen Niveau. Das ist bei allen Top-Spielern so – und doch sind alle anders: Roger Federer wirkte im Training immer völlig relaxt. Und Rafael Nadal? Er trainiert derart intensiv, dass du das Gefühl hast, er werde gerade von 300 Löwen gejagt.» (Lacht.)

…spezielle Formen von Djokovics Arbeit:

«Er ist ein ausgezeichneter Returnspieler. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass er über eine gute Reaktion und Antizipation verfügt. Dieses Talent hat er einfach. Daneben haben wir aber auch spezifisch daran gearbeitet. Etwa mit besonderen Brillen. Wir versuchten, sein Auge immer weiter zu verbessern.»

…schlaflose Nächte als Trainer der Weltnummer eins:

«Ich hatte immer gute Tabletten. (Lacht.) Nein, im Ernst: Druck hat man in dieser Branche jeden Tag. Es ging mir aber völlig okay dabei. Du gewöhnst dich an die Umstände. Es half mir, dass wir beide aus dem Balkan kamen. Novak und ich ticken ähnlich. Ich war stets vorbereitet auf seine möglichen Reaktionen.»

…hitzige Situationen während Matches:

«Das gab es immer wieder. Dann schrie er mich wieder an und alle sahen es. Manchmal konnte ich ihn im Stadion gut verstehen, manchmal aber auch nicht. Vielleicht wollte er dabei etwas über den Service wissen – und ich erzählte ihm dann halt etwas über die Wolken, die gerade über der Arena waren. Dann regte sich Novak über mich auf. Aber wenigstens war es dann auf mich bezogen. Und nach fünf Minuten war er wieder heruntergefahren. Er konnte alles rauslassen und war dann wieder befreit. Manchmal brauchst du im Tennis einen kurzen Schock, um in deinem Kopf einen Reset-Knopf zu drücken. Ich denke, die mentale Komponente ist der wichtigste Faktor in diesem Sport.

…seine eigene Karriere:

«Es wäre super, wenn ich mit meinem früheren Ich sprechen könnte. Dann hätte ich sicher mehr Grand-Slam-Titel gewonnen. Ich würde mich in ein kleines Kämmerchen sperren und mir mal gründlich die Leviten lesen. Und ich würde mir sagen, dass nicht immer alles schwarz oder weiss ist. Oft war es in meiner Karriere so: Wenn ich gewann, war alles wundervoll. Wenn ich verlor, war es ein Desaster. Das stimmt nicht. Du musst das Ganze sehen.»

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