Erneute Alcaraz-Show? Dominiert Swiatek jetzt auch auf Rasen?
Günthardt macht den grossen Wimbledon-Favoritencheck

Blick-Experte Heinz Günthardt schätzt vor dem Wimbledon-Start die Ausgangslage ein. Warum Carlos Alcaraz nur schwer zu schlagen ist, wieso ein Sieg von Novak Djokovic eine Wahnsinnsleistung wäre – und weshalb die Schweizer heisslaufen könnten.
Publiziert: 01.07.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2024 um 14:15 Uhr
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Viktorija Golubic hat ein Spiel, das gut zum Rasenturnier in Wimbledon passt.
Foto: Sven Thomann
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Heinz GünthardtBlick-Kolumnist

Das Frauenfeld

Im Jahr 2001 hat sich in Wimbledon sprichwörtlich etwas Grundlegendes geändert. Die Championships tauschten den Rasen auf den Courts aus, die Turnier-Bosse standen quasi auf die Bremse – durch die neue Grasfläche sind die Bälle langsamer geworden. Man musste das Spiel auf Rasen plötzlich neu erfinden, flacher spielen, mehr ans Netz gehen. Das heisst im Umkehrschluss: Vor 2001 wurden die Karten nach den French Open jeweils völlig neu gemischt. Seit der Umstellung in Wimbledon aber rückten die beiden Turniere wieder näher zueinander – und das führt dazu, dass gerade bei den Frauen der Favoritencheck in diesem Jahr ähnlich wie in Paris ausfällt. 

Roland-Garros-Seriensiegerin Iga Swiatek ist auch auf dem heiligen Rasen die Frau, die es zu schlagen gilt. Sie thront nicht so sehr über den anderen wie in Paris, weil ihre hoch wegspringenden Bälle hier weniger effektiv sind, doch sie ist wieder Topfavoritin. Auf einer Stufe mit Jelena Rybakina (25), Wimbledon-Siegerin von 2022 und Coco Gauff (20). Dahinter gibts ganz viele, die für eine Sensation infrage kommen: die dreimalige Grand-Slam-Finalistin Ons Jabeur (29) etwa, oder auch Jessica Pegula (30). Aryna Sabalenka (26) musste verletzungsbedingt absagen.

Die Schweizerin

Nach der aus Schweizer Sicht enttäuschenden Quali in der geschlechterübergreifend niemand den Cut schaffte, ist Viktorija Golubic (31) unser einziger Trumpf bei den Frauen. Sie hat das Zeug, auf Rasen richtig gut zu spielen. Es ist wohl die Unterlage, auf der sie am gefährlichsten ist. Ihr Backhand Slice, den sie immer wieder einstreuen kann, ist effektiver auf Rasen als anderswo.

Das Männerfeld

Im letzten Jahr hat hier Carlos Alcaraz auf legendäre Art und Weise triumphiert – in einem intensiven Fünfsätzer gegen Novak Djokovic setzte er sich spektakulär durch und durfte so ein erstes Mal die Wimbledon-Trophäe in die Höhe stemmen. Und warum sollte er den Titel heuer nicht verteidigen? Der 21-jährige Spanier hat etwas Entscheidendes erkannt: Er hat gemerkt, dass er nicht immer nur eine Show bieten muss, um erfolgreich zu sein. Weniger ist manchmal mehr – das ist nun auch ihm bewusst.

Es war beeindruckend, wie er sich an den French Open zum Turniersieg kämpfte. Für mich ist «Carlitos» auch in Wimbledon das heisseste Eisen im Teilnehmerfeld, wobei sein grösster Konkurrent natürlich die neue Weltnummer eins Jannik Sinner sein wird. Der Südtiroler hat kürzlich in Halle seinen ersten Rasen-Titel geholt – das darf man durchaus als Ansage verstehen.

Und dann gibts noch das grosse Fragezeichen um Novak Djokovic. Der 37-Jährige kann Mitfavorit sein, kann aber genauso gut schon in den ersten Runden Probleme bekunden. Wir wissen es nicht, und er selbst wohl auch nicht. Nach seiner Meniskus-Verletzung ist offener denn je, wie fit er ist. Das Karriereende kommt manchmal langsam und dann ganz plötzlich. Sein Nimbus des Unschlagbaren ist längst angekratzt, seine Gegner haben mittlerweile eine ganz andere Einstellung im Duell mit ihm.

Für mich ist es eine ähnliche Situation wie 2022, als Rafael Nadal (37) nach einer Verletzung an den Australian Open antrat und niemand wusste, wie gut er sein, geschweige denn, ob er überhaupt über fünf Sätze bestehen würde. Nun, am Ende gewann Rafa in eindrücklicher Manier. Es war wohl sein grösster Sieg. Und dasselbe wäre auch bei Djokovic in Wimbledon der Fall. Triumphiert der serbische Rekordmann an der Church Road, wäre das für mich mit Rafas Comeback-Titel zu vergleichen.

Gibts einen Geheimtipp im Männerfeld? Ja, durchaus. Hubert Hurkacz (27) ist gut in Form, stand in Halle im Final. Sein Service kann ihm auf Rasen enorm helfen. Und dasselbe gilt für US-Shootingstar Ben Shelton (21).

Die Schweizer

Dominic Stricker (21) ist endlich zurück auf der grossen Bühne. Auch er wird über den Aufschlag kommen müssen – aber dieser gehört bei ihm ja zu den Stärken. Sein Spiel passt hervorragend zu dieser Unterlage. Ausserdem hat er letztes Jahr an den US Open mit dem Achtelfinaleinzug gezeigt, dass ihm das Rampenlicht gefällt. Auch in Wimbledon hat er sich 2023 mit dem Einzug in die zweite Runde von der Atmosphäre tragen lassen. Die grosse Frage wird einfach sein: Wie schnell findet er – einen Monat nach seiner Rückkehr auf die Tour – wieder in den Rhythmus?

Bei Stan Wawrinka (39) ist es so, dass Rasen noch nie sein Lieblingsbelag war. Aber manchmal hat es auch Vorteile, wenn man keine grossen Erwartungen an sich stellt. Dann kann man befreiter aufspielen. Die Auslosung ist zumindest auf dem Papier ausgezeichnet – er ist im Startspiel gegen den Lokalmatadoren Charles Broom haushoher Favorit.

Die Schweizer in Wimbledon

Am Montag:

Stan Wawrinka (ATP 93) – Charles Broom (ATP 245)

Am Dienstag:

Dominic Stricker (ATP 151) – Arthur Fils (ATP 34)

Viktorija Golubic (WTA 67) – Jule Niemeier (WTA 96)

Am Montag:

Stan Wawrinka (ATP 93) – Charles Broom (ATP 245)

Am Dienstag:

Dominic Stricker (ATP 151) – Arthur Fils (ATP 34)

Viktorija Golubic (WTA 67) – Jule Niemeier (WTA 96)

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