«Es ist ein Wunder», sagt ein überglücklicher Luca Nardi nach seinem Sensationssieg über Novak Djokovic (36) in Indian Wells (USA). «Ich glaube, vor diesem Spiel hat mich niemand gekannt.»
Unrecht hat der 20-Jährige damit wohl nicht, schliesslich war dies erst sein vierter Erfolg im Hauptfeld eines ATP-Turniers. Nach seinem ersten Auftritt auf der Tour im Oktober 2020 tauchte er erstmals im Ranking auf, ein halbes Jahr später war er auf Platz 715. Und jetzt bezwingt er die Weltnummer eins und taucht ab Montag erstmals in den Top 100 auf. «Verrückt», nennt er es.
WM-Titel mit 13 und gut in der Schule
Die Reise beginnt vor gut sieben Jahren. Wir schreiben den 29. Januar 2017. Eingefleischten Tennis-Fans ist dieser Tag im Gedächtnis, weil an jenem Sonntag Roger Federer (42) in Melbourne nach einem halben Jahr Pause die Australian Open gewinnt – in einem epischen Fünf-Satz-Final gegen Rafael Nadal (37). Auf der anderen Seite der Erdkugel, im südfranzösischen Tarbes, wird der 13-jährige Nardi U14-Weltmeister.
Er bezwingt im Halbfinal Holger Rune (heute Weltnummer 7), im Final dann Hamad Medjedovic (ATP 132), den letztjährigen Sieger der NextGen-Finals. Bruder Niccolò Nardi sagt danach gegenüber «Il Tennis Italiano»: «Er gewinnt, weil er auf dem Platz mehr Professionalität und Reife zeigt als die anderen in diesem Alter.»
Ein Motto verfolgte Nardi schon in jungen Jahren: «Meine Eltern sagen immer, ich soll Spass haben.» Mama Raffaella war stets wichtig, dass er auch in der Schule abliefert. So mussten die Hausaufgaben immer sofort erledigt werden, damit sich Luca danach voll aufs Tennistraining konzentrieren konnte, sagte sie. Seine schulischen Leistungen seien aber stets gut gewesen.
«Er steht nicht gerne im Mittelpunkt»
Francesco Sani begleitet den bekennenden Napoli-Fan und begeisterten Motorradfahrer (MotoGP-Legende Valentino Rossi stammt aus dem gleichen Bezirk) seit seinen ersten Tennis-Versuchen im Alter von sieben Jahren. «Wir haben schnell gemerkt, dass er sehr talentiert ist», sagte Sani nach dem U14-WM-Titel seines Schützlings. «Er verfügt über alle Fähigkeiten, um an die Spitze zu gelangen.» Heute spricht Sani gegenüber supertennis.tv von einer «fast brüderlichen Beziehung».
Mittlerweile klopft Nardi an die Tür der Weltspitze. Im Jahr 2022 gewann er seine ersten drei Challenger-Turniere, darunter jenes in Lugano, als er im Final Leandro Riedi (22, ATP 170) bezwingen konnte. Im selben Jahr gewann er auch erstmals ein Spiel im Tableau eines ATP-Turniers. 2023 kamen zwei weitere Challenger-Titel und die Teilnahme an den NextGen-Finals hinzu.
Am liebsten geniesst der Rechtshänder Sushi oder die «Pasta al forno» seiner Mutter. Diese verrät, dass Nardi den Rummel um seine Person noch nie mochte: «Er steht nicht gerne im Mittelpunkt.» Genau in diesem befindet er sich nun aber dank seines Sieges über sein Idol Djokovic, von dem auch weiterhin ein Poster in seinem Zimmer hängen wird.