Arzt nach Murray-Wunder skeptisch
«Murray geht ein grosses Risiko ein»

Wie Phönix aus der Asche erobert Andy Murray (32) am Sonntag den Titel in Antwerpen – neun Monate nach seiner Hüft-OP. Ein Märchen mit Happy End. Spezialist Dr. Hannes A. Rüdiger sieht in Murrays Wiederauferstehung jedoch ein grosses Risiko.
Publiziert: 22.10.2019 um 08:29 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2019 um 08:54 Uhr
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Andy Murray kann wieder beschwerdefrei spielen.
Foto: AFP

Dieses Mal sind es Tränen der Freude, die dem emotionalen Andy Murray übers Gesicht kullern. Der grosse Kämpfer schafft am Sonntag mit dem Turniersieg in Antwerpen über Stan Wawrinka ein Wunder. Nur neun Monate nach seiner zweiten Hüft-Operation, die seine Karriere bedrohte.

Murrays Wunderheilung überrascht nicht nur die Tenniswelt sondern auch Hüft-Spezialisten. «Für mich war es eine ‹Mission Impossible›, mit einer künstlichen Hüfte wieder ein solches Niveau zu erreichen», gibt Dr. Hannes A. Rüder von der Schulthess Klinik zu. Er fügt an: «Aber Murray geht auch ein hohes Risiko ein.»

Murray spricht im Januar vom Rücktritt

Rückblende in den Januar: Damals vergiesst Murray auch Tränen. Nach seinem Erstrunden-Aus gegen Roberto Bautista Agut an den Australian Open. Er spricht vom Rücktritt nach zwei schmerzhaften Jahren wegen Hüftproblemen. Der 32-Jährige ist am Boden zerstört. Doch einen Funken Hoffnung hat der dreifache Grand-Slam-Champion.

Murray lässt sich Ende Januar einer neuartigen Operationsmethode an der rechten Hüfte unterziehen. Das ist bitter nötig, denn das Risiko mit einer unbehandelten Hüfte weiter zu leben und langfristige Schäden davon zu tragen, ist gross. Den Tipp zur OP gibt ihm Doppelspezialist Bob Bryan (USA), der sich ebenfalls mit der gleichen Methode erfolgreich behandeln liess.

Nach der OP träumt Murray vom Comeback

Der New Yorker Arzt Edwin Su operiert Murray in London. Bei der Operation wird das Gelenk ganz abgeschliffen und nachher mit einer Metallverbindung aus Kobalt und Chrom umhüllt. Dadurch werden Schmerzen fast komplett umgangen, weil es sich bei der künstlichen Gelenkverbindung nur um einen Teileingriff handelt. Gemäss Rüdiger ist eine solche Operation dennoch heikel. «Die Hüften mussten viel schneller ersetzt werden als bei herkömmlichen, konventionellen Operationen – solche Eingriffe schädigen den Körper nachhaltig», so der Spezialist.

Bei Murray scheint die Operation jedoch gut verlaufen zu sein. Denn die Ex-Nummer-1 träumt nach der OP von einem Comeback – lässt sich aber Zeit. Murray übt sich in Geduld, beginnt im Frühling mit leichtem Training. Im Juni kehrt er vorerst im Doppel zurück, Mitte August dann auch im Einzel. Und nun der grosse Triumph mit künstlicher Hüfte. Eine Wahnsinnsleistung. 32 Monate nach dem letzten Titel in Dubai im Februar 2017.

«Ich bin sicherlich optimistischer»

Der Kämpfer überglücklich: «Meine Hüfte ist okay. Ich habe keine Schmerzen und das ist grossartig. Es erlaubt mir, so zu spielen und ich geniesse es.» Nun legt Murray eine einmonatige Pause bis zu den Daviscup Finals ein. Bis dahin wird er zum dritten Mal Vater.

«Ich muss jetzt anfangen, mehr über meine Zukunft zu reden und bin sicherlich viel optimistischer. Ich freue mich auf das dritte Kind. Meine Frau war eine grosse Unterstützung, dass ich wieder auf dem Court stehe und darum kämpfte, weiterzuspielen», sagt Murray.

Die ganze Tennis-Szene freut sich über das Märchen. In der Weltrangliste ist Murray bereits wieder auf Rang 127 gestossen. Die Rückkehr in die Top 100 nur eine Frage der Zeit. Das nächste Fernziel sind die Australian Open 2020. Dort möchte Murray die bitteren Tränen dieses Jahres endgültig vergessen und erneut Freudentränen vergiessen. (rib)

Nachgefragt beim Spezialisten Dr. Hannes A. Rüdiger

Wie erstaunt sind Sie über die Leistung von Andy Murray?
Dr. Hannes A. Rüdiger: Ganz ehrlich: Ich hätte so etwas nicht für möglich gehalten. Für mich war es eine «Mission Impossible», mit einer künstlichen Hüfte wieder ein solches Niveau zu erreichen. Aber Murray geht auch ein hohes Risiko ein ...

Inwiefern?
Die Operation ist als «Birmingham Hip Resurfacing» bekannt. Dabei reiben bei der implantierten Prothese zwei Metallflächen aufeinander. Vor gut zehn Jahren wurde diese Methode auch schon in der Schweiz durchgeführt – häufig mit katastrophalen Folgen. Die Hüften mussten viel schneller ersetzt werden als bei herkömmlichen, konventionellen Operationen – solche Eingriffe schädigen den Körper nachhaltig.

Müssen insbesondere Tennis­spieler mit Spätfolgen rechnen?
Ja. Die Stop-and-go-Bewegungen sind extrem schädlich, auf Profiniveau umso mehr. Kommt dazu, dass der Abrieb der Platten zu einer Kobaltver­giftung im Blut führen kann. Die Knochen können dadurch angegriffen werden, auch Nerven- und Sehschäden sind möglich.

Wird sich in der Hüftchirurgie wegen Murray etwas ändern?
Ich bekam zuletzt tatsächlich Anfragen für «Birmingham Hip Resurfacing»-Eingriffe. Aber ich wende diese Methode aus Prinzip nicht an, und ich empfehle sie niemandem.

Wie erstaunt sind Sie über die Leistung von Andy Murray?
Dr. Hannes A. Rüdiger: Ganz ehrlich: Ich hätte so etwas nicht für möglich gehalten. Für mich war es eine «Mission Impossible», mit einer künstlichen Hüfte wieder ein solches Niveau zu erreichen. Aber Murray geht auch ein hohes Risiko ein ...

Inwiefern?
Die Operation ist als «Birmingham Hip Resurfacing» bekannt. Dabei reiben bei der implantierten Prothese zwei Metallflächen aufeinander. Vor gut zehn Jahren wurde diese Methode auch schon in der Schweiz durchgeführt – häufig mit katastrophalen Folgen. Die Hüften mussten viel schneller ersetzt werden als bei herkömmlichen, konventionellen Operationen – solche Eingriffe schädigen den Körper nachhaltig.

Müssen insbesondere Tennis­spieler mit Spätfolgen rechnen?
Ja. Die Stop-and-go-Bewegungen sind extrem schädlich, auf Profiniveau umso mehr. Kommt dazu, dass der Abrieb der Platten zu einer Kobaltver­giftung im Blut führen kann. Die Knochen können dadurch angegriffen werden, auch Nerven- und Sehschäden sind möglich.

Wird sich in der Hüftchirurgie wegen Murray etwas ändern?
Ich bekam zuletzt tatsächlich Anfragen für «Birmingham Hip Resurfacing»-Eingriffe. Aber ich wende diese Methode aus Prinzip nicht an, und ich empfehle sie niemandem.

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