«Marc, jetzt bist du ein Champion», titelte Blick am am 9. August 1992, dem Tag nach dem sensationellen Olympia-Sieg von Marc Rosset. Als der Genfer die eingerahmte Kopie der Sportseite anschaut, zeigt er seinen Arm – Gänsehaut. Es zeigt, was ihm dieser Titel auch 30 Jahre später bedeutet.
Marc Rosset, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sie dieses Bild sehen?
Es bereitet mir Freude. Es ist einerseits noch sehr präsent, aber auch weit weg, weil es schon 30 Jahre sind. Ich werde noch regelmässig darauf angesprochen, aber es fühlt sich an wie ein anderes Leben.
Mit welchen Erwartungen sind Sie damals nach Barcelona gereist?
Mit gar keinen. Es waren meine ersten Olympischen Spiele, also kannte ich es gar nicht. Ich war nicht bei der Eröffnungsfeier dabei und als ich das Tableau sah, dachte ich, dass ich in fünf Tagen wieder zu Hause bin. Ich wollte einfach mal die Olympischen Spiele sehen und das Ganze von nah erleben.
Die Auslosung meinte es nicht gut mit Ihnen. In der dritten Runde mussten Sie gegen Jim Courier ran, der damaligen Nummer 1.
Ich habe einfach gegen ihn in drei Sätzen gewonnen und danach das beste Tennis meines Lebens gespielt und weiss nicht einmal warum. Es war hart, weil es auch noch das Doppel gab. Alle Spiele – auch im Doppel – gingen über fünf Sätze. Es war heiss und somit körperlich auslaugend.
Beim Viertelfinal gegen Emilio Sanchez herrschte eine spezielle Stimmung.
Es war Abend und das Publikum heiss. Die Stimmung erinnerte mich an eine Davis-Cup-Partie. Ich weiss noch, wie ich für einen Punkt nur einen einfachen Smash verwerten musste. Doch ich zielte auf meinen Gegner.
Warum?
Um die Stimmung weiter anzuheizen. Ich mag solche Situationen. Zu dem Zeitpunkt brauchte ich wohl noch mehr Adrenalin, um mich zu pushen. Damals gab es noch keine Spiele um Platz drei. Sobald du im Halbfinal warst, gabs eine Medaille. Und ich habe gegen einen Spanier in Barcelona gespielt. Es war elektrisierend. Ich musste den Platz nach dem Sieg mit Geleitschutz und unter Beleidigungen der Zuschauer verlassen.
Springen wir zum Final gegen Jordi Arrese. An was können Sie sich erinnern?
Der Matchball war hässlich. Ich spielte Lob um Lob um Lob. Noch heute werde ich nervös, wenn ich mir den Ballwechsel anschaue. Ich weiss, dass ich gewonnen habe, aber ich werde trotzdem nervös. Gegen Ende der Partie ging es mir nicht mal mehr darum, Olympiasieger zu werden. Ich konnte nicht mehr und beim Matchball wollte ich einfach, dass die Partie endet.
Wegen der Hitze?
Ja. Nach dem ersten Satz bekam ich einen Sonnenstich. Es war extrem heiss, aber mir war sehr kalt – besonders bei den Seitenwechseln. Meine grösste Sorge war, dass ich den Matchball vergebe und die Partie noch weitergeht. Als ich gewonnen hatte und mich auf den Platz fallen liess, war der erste Gedanke: «Es ist vorbei. Ich muss nicht mehr spielen.»
Wann haben sie realisiert, dass Sie etwas Grosses erreicht haben?
Nach der Partie habe ich geduscht und dachte «Wow». Danach fiel mir auf, dass mir die Kleider gestohlen wurden.
Sie wurden während des Finals bestohlen?
Genau. Jemand war in der Garderobe und hatte mir die Delegationskleider geklaut. Darum trug ich bei der Siegerehrung das bunte T-Shirt, das ich von einem Zuschauer bekommen hatte. Meine Sachen sind auch nicht mehr aufgetaucht.
Wie blicken Sie gesamthaft auf die Wochen in Barcelona zurück?
Ich habe die Olympischen Spiele geliebt, aber es gab einige Sachen, die mich genervt haben. Ich mochte den Delegationschef nicht (René Meyer Anm.d.Red.). Die Schwimmer um Dano Halsall und ich hatten nie eine Chance, Tickets für andere Wettkämpfe zu bekommen. Ich war zehn Tage dort und durfte nichts anderes live verfolgen. Dabei bekam jedes Komitee Tickets für die Athleten. An etwas anderes erinnere ich mich auch noch genau.
Marc Rosset wurde am 7. November 1970 in Genf geboren. Der 2,01 Meter grosse Romand schaffte es in der Junioren-Weltrangliste auf Platz 4. Sein grösster Erfolg war der Gewinn des Olympia-Titels im Einzel 1992 in Barcelona. Rosset war berühmt-berüchtigt für seine Wutausbrüche auf dem Feld und für seinen Aufschlag, der mit 215 km/h lange Zeit der schnellste der Welt war. Er gewann 15 Profiturniere und schaffte es in der Weltrangliste bis auf Platz 9. Im Doppel gewann er 1992 mit Jakob Hlasek die French Open. Mit Federer spielte Rosset im Davis Cup. Von 2002 bis 2005 war er sogar Captain. 2005 bestritt er im Doppel mit Stan Wawrinka in Basel sein letztes Spiel als Profi.
Marc Rosset wurde am 7. November 1970 in Genf geboren. Der 2,01 Meter grosse Romand schaffte es in der Junioren-Weltrangliste auf Platz 4. Sein grösster Erfolg war der Gewinn des Olympia-Titels im Einzel 1992 in Barcelona. Rosset war berühmt-berüchtigt für seine Wutausbrüche auf dem Feld und für seinen Aufschlag, der mit 215 km/h lange Zeit der schnellste der Welt war. Er gewann 15 Profiturniere und schaffte es in der Weltrangliste bis auf Platz 9. Im Doppel gewann er 1992 mit Jakob Hlasek die French Open. Mit Federer spielte Rosset im Davis Cup. Von 2002 bis 2005 war er sogar Captain. 2005 bestritt er im Doppel mit Stan Wawrinka in Basel sein letztes Spiel als Profi.
An was?
Meine Freunde wollten den Final vor Ort schauen, reisten extra von Genf mit dem Auto an. Ich bat den Chef um vier Tickets, er antwortete: «Ich weiss nicht, ob ich vier Plätze habe ...». Worauf ich sagte: «Ich habe Rückenschmerzen ... Ich weiss nicht, ob ich den Final spielen kann.» Schliesslich fand er vier Plätze und meinem Rücken ging es besser.
Den Sieg richtig feiern konnten Sie aber nicht. Danach gings gleich auf der Tour weiter.
Doch, ich habe in Barcelona mit meinen Freunden gefeiert. Am nächsten Tag wurde in Genf etwas organisiert. Tags darauf bin ich in die USA. Das war etwas schade. Ich schätze, ich hätte das Turnier von Cincinnati auslassen sollen.
Feiern Sie dieses Jahr das 30. Jubiläum?
Wahrscheinlich nicht. Ich bin kein Fan von solchen Feiern. Ich feiere auch nie meinen Geburtstag. Es ist cool, aber ich bin nicht gern im Mittelpunkt. Interviews zu geben, stört mich nicht. Aber etwas Grosses für mich organisieren, ist nicht mein Ding.
Wo lagern Sie die Medaille?
Sie ist sicher in einem Safe.
Bei Ihnen Zuhause?
... Sie ist sicher in einem Safe. (schmunzelt)
Vor 17 Jahren haben Sie Ihre Karriere beendet. Greifen Sie heute noch regelmässig zum Tennis-Schläger?
Ich habe wieder angefangen, aber mit der linken Hand. Mit der rechten Hand könnte ich nie so gut spielen wie früher. Darum dachte ich mir: Warum nicht mit links spielen? Dort kann ich nur Fortschritte machen.
Wie läuft es mit dem Fortschritt?
Ich habe einen Freund geschlagen, der R4-Niveau hat. Das ist nicht schlecht. Mein Service ist aber schrecklich. Man kann die Vorhand einfach trainieren. Aber den Ball mit der anderen Hand hochwerfen, ist eine unnatürliche Bewegung. Marat Safin hat meinen Plan auch hinterfragt. Ich habe ihm gesagt, dass ich noch nie eine solch gute zweihändige Rückhand hatte (lacht). Das habe ich in meiner Karriere nie erlebt. Dazu brauchte ich 48 Jahre.