Auf einen Blick
Wenn Mélanie Meillard (26) eine Kniebeuge macht, hört sie ihr linkes Knie. Es knarrt und knirscht. «Ich weiss, dass es eigentlich kaputt ist. Ich werde mein ganz ganzes Leben lang Schmerzen haben», sagt sie. Und ergänzt: «Ich habe das Knie einer 70-Jährigen.» Dennoch zählt die Walliserin vor dem WM-Slalom zum Kreis der Medaillen-Anwärterinnen. Man fragt sich: Wie hat sie das geschafft?
Um das zu verstehen, muss man das Rad der Zeit zurückdrehen. Meillards Knieprobleme begannen mit einem fatalen Sturz im Februar 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Die damals 19-Jährige war kurz vor der Abreise nach Südkorea Vierte geworden bei einem Slalom in der Lenzerheide GR – ihr Talent war offensichtlich, ihr gehörte die Zukunft. Doch es kam anders. Meillard stürzte im Training und bestieg noch vor dem ersten Rennen das Flugzeug zurück in die Schweiz – mit gerissenem Kreuzband.
Die folgende Operation wurde zum Fiasko – Meillards Körper stiess die eingesetzte Sehne eines Toten ab. «Es gab keinen Tag, an dem mein Knie nicht wehtat», erinnert sie sich. Nach einem Jahr hatte Meillard genug gelitten und legte sich erneut unters Messer. Diesmal verwendete der Arzt bei der Technik-Spezialistin körpereigenes Material. Diesmal klappte alles, aber es hiess erneut: von null beginnen.
Ans Aufgeben dachte Meillard auch in ihrer dunkelsten Zeit nie. Ihre Beharrlichkeit lohnte sich. «Wir haben alles unter Kontrolle. Ich kann mittlerweile auch trainieren, ohne dass mich die Schmerzen stoppen. Ich bin froh», erklärt die passionierte Sudoku-Spielerin.
Ohne Druck kann Meillard nur überraschen
Aktuell fährt Meillard die beste Saison ihres Lebens. In sieben Slaloms klassierte sie sich stets unter den Top 10, dreimal wurde sie Fünfte. Sie ist schnell, konstant, und ihr bestechendes Gefühl für die Ski und den Schnee werden überall gerühmt. «Aber sie kann noch viel mehr», sagt ihr Trainer Denis Wicki. Wie so viele wünscht auch er sich, dass Meillard zwischendurch etwas mehr riskieren und die innere Handbremse komplett lösen würde.
Vielleicht klappts ja ausgerechnet bei der WM mit dem ersten Podestplatz. Im Team-Kombi-Slalom (Rang 14) überzeugte sie mit der fünftbesten Slalom-Zeit – sie war unter anderem schneller als Teamkollegin Camille Rast (25), die im Slalom-Weltcup führt. Ein gutes Zeichen.
«Ich kann jedenfalls ohne Druck fahren, weil ich im Weltcup bislang nicht auf dem Podest stand. Die Favoritinnen sind andere», sagt sie gut gelaunt. Die Rolle der Jägerin gefällt ihr.