Vor 13 Monaten hatte Stefan Rogentin auf der Lenzerheide eine ganz besondere Begegnung mit Arno Del Curto. Weil der Bündner in seiner Jugend auch ein talentierter Eishockey-Center war und mit 14 gar ein Angebot vom HC Davos hatte, hat er sich ganz besonders über sein erstes Date mit der Trainer-Legende gefreut.
In diesem Gespräch klopfte der einstige Meistermacher des HCD Rogentin aber so richtig aus dem Busch. «Stefan, wenn ich dir in die Augen schaue, fällt mir auf, dass dein Blick besonders lieb ist. Ich fürchte, dass du für den Rennsport zu lieb bist!» Del Curto verabschiedete sich mit einer Forderung von Rogentin: «Du bringst alles mit, um Rennen zu gewinnen. Aber bis jetzt warst du zu brav und hast dich bereits mit einem Top-5-Rang zufriedengegeben. In Zukunft erwarte ich, dass du den Killer in dir auspackst und Rennen gewinnst.»
«Ich bin zu Hause schier durchgedreht!»
Der 29-Jährige hat sich Del Curtos Worte zu Herzen genommen und fuhr immer öfter mit dem Messer zwischen den Zähnen. Dennoch hat es auch in diesem Winter lange nicht mit dem ersten Weltcupsieg geklappt. Der Sohn des Ländlerkönigs Walter Rogentin (spielt Klarinette bei der Kapelle Oberalp) hatte zuletzt immer wieder Pech bei der Startnummernauslosung. Bei Rennen, in denen eine frühere Nummer von Vorteil gewesen wäre, zog er eine hintere – und umgekehrt.
Beim letzten Super-G der Saison hat der Fischer-Pilot das Glück aber auf seiner Seite: Die Startnummer 6 erweist sich auf der Piste, die von den frühlingshaften Temperaturen und von der prallen Sonne überflutet wird, als ideal. Der Zweitplatzierte vom vorletzten Lauberhorn-Super-G nutzt diese Chance ganz cool und bejubelt vor seinen Teamkollegen Meillard und Boisset seinen ersten Triumph in der Meisterklasse des alpinen Skisports.
In der schönsten Stunde seiner Karriere gesteht Rogentin, «dass ich vor ein paar Wochen zu Hause schier durchgedreht bin!» Warum? «Zwischen Kvitfjell und Saalbach war vier Wochen lang kein Speed-Rennen, deshalb ist mir anfänglich fast die Decke auf den Kopf gefallen.»
Geholfen haben Rogentin in dieser Phase die Kinder des Skiclubs Lenzerheide. «Irgendwann habe ich mich nach einem Gespräch mit dem Leiter entschieden, dass ich mit den Kindern auf die Ski gehe. Die Kinder hatten grosse Freude daran, dadurch habe auch ich meine Freude zurückgewonnen. Die Kids haben mir vor allem aufgezeigt, wie privilegiert ich bin. All diese Talente träumen von einem Leben im Ski-Zirkus, wie ich es leben darf.»
«Ich habe zu viel in mich hineingefressen!»
Eine besonders traurige Phase erlebte Rogentin vor sechs Jahren, als sein bester Freund Gian Luca Barandun bei einem Gleitschirm-Absturz starb. «Bari wurde wie ich 1994 geboren, dadurch sind wir uns bereits bei den Kinder-Ski-Rennen in Graubünden begegnet. In dieser Zeit hat sich eine ganz spezielle Freundschaft entwickelt. Nach seinem Tod hat mir zwar meine damalige Freundin viel geholfen. Aber rückblickend betrachtet stelle ich fest, dass ich damals zu viel in mich hineingefressen habe. Heute würde ich viel mehr mit anderen Leuten über mein Leid reden.»
Schön, dass Stefan Rogentin nun endlich auf der prallen Sonnenseite des Rennfahrer-Lebens steht.