Die wichtigsten Rennen des Ski-Winters 2021/22 sind Geschichte. Filmreife Monate voller Dramen und Höhepunkte liegen hinter uns. Was blieb hängen? Blick schaut auf das zurück, was die Schweizer Ski-Cracks geleistet haben und verleiht Ski-Awards. Dabei sagen wir auch, was in die Hose ging.
Die besten Hauptdarstellerinnen
Michelle Gisin (28), Corinne Suter (27), Lara Gut-Behrami (30): Sie alle räumten in Peking ab, reisten mit je einer Goldmedaille nach Hause. Und das, obwohl die Voraussetzungen nicht optimal waren. Gisin litt im Sommer am Pfeifferschen Drüsenfieber, Suter stürzte im Training schwer und Gut-Behrami war oft und lange krank. Dennoch: Sie haben alle geliefert, als es zählte.
Der beste Hauptdarsteller
25 Weltcuprennen bestritt Marco Odermatt in diesem Winter. 16 Mal schaffte der 24-Jährige den Sprung aufs Podest, sieben Mal gewann er. Damit eroberte der Buochser als erster Schweizer seit Carlo Janka die grosse Kugel für den Triumph im Gesamtweltcup sowie den kleinen Kristall für die höchste Punktzahl in der Riesenslalom-Wertung. Odermatt hat nach dieser Gala-Saison nur ein Problem: «Nach dieser Erfolgsserie werden die meisten Leute von mir ausschliesslich Siege erwarten. Deshalb werden die nächsten Jahre für mich sicher nicht entspannter.»
Der beste Schnitt
Die Olympischen Spiele in Peking stellten für Niels Hintermann (26) eine riesige Enttäuschung dar. Der Zürcher, der im Dezember in Gröden und Bormio die ersten Weltcup-Podiumsplätze in der Abfahrt feierte, kam in Peking in der Königs-Disziplin nicht über den 16. Rang hinaus. Der 98-Kilo-Brocken hat die negativen Olympia-Gedanken aber blitzschnell «gecuttet» und brillierte im März bei der Doppel-Abfahrt in Kvitfjell mit den Rängen 1 und 3.
Der Shooting-Star
Zuerst brauchte es Corona, dann eine Knieprellung, um Camille Rast (22) zu stoppen. Die feingliedrige Riesenslalom- und Slalomspezialistin zeigte dennoch eine starke Saison, fuhr viermal in die Top 10 und bei Olympia auf Platz 7 (Slalom). «Camille ist wie ein Puma. Sie fährt trotz ihrer Stabilität angriffig, wie ein junges Raubtier. Und sie ist ein Diamant, der noch Ecken und Kanten hat», sagt SRF-Experte Didier Plaschy.
Die beste Liebesszene
Nachdem er bei der Olympia-Abfahrt dem gigantischen Druck ganz cool standhalten konnte, zeigte Beat Feuz nach seiner Gold-Fahrt ganz grosse Gefühle. Während einer Face-Time-Session mit seiner Lebensgefährtin Katrin und den beiden Töchtern Clea und Luisa hat der Emmentaler hemmungslos Tränen vergossen. Es waren Tränen der Dankbarkeit. «Ich habe Katrin so viel zu verdanken. Weil sie zu Hause den Alltag mit den kleinen Kindern so bravourös meistert, habe ich den Kopf frei für den Rennsport.»
Der filmreifste Spruch
Nach ihrem Kombi-Olympiasieg plauderte Michelle Gisin (28) in Peking aus dem Nähkästchen. Sie berichtete über Marco Odermatt, der Riesenslalom-Gold gewonnen hatte und diesen Coup im Olympischen Dorf auch entsprechend gefeiert habe. «Marco trug noch immer sein Renndress und hatte seine Goldmedaille des Riesenslaloms um den Hals. Wir begannen, um ein Uhr morgens über die Abfahrt zu diskutieren. Er war betrunken und ich todmüde – es war wirklich lustig.» Odermatt selbst sagte kürzlich zu Blick: «Meine Medaillen-Feier war weit weg von einem ‹Vollsuff›. Michelles Aussagen waren sicher auch nicht böse gemeint.»
Die besten Nebendarsteller
Während sein Big Brother Mauro aufgrund der üblen Nachwirkungen einer im Januar 2021 erlittenen Gehirnerschütterung in diesem Winter kein einziges Rennen bestritten hat, zeigte Gino Caviezel vor allem am Ende der Saison sehr gute Leistungen. Höhepunkt: Beim Finale in Courchevel fuhr der 29-Jährige im Super-G als Dritter erstmals aufs Podest. Vielversprechend ist auch die Entwicklung von Stefan Rogentin – mit drei Top-10-Rängen hat sich der Mann von der Lenzerheide in der Super-G-Weltrangliste um fast 30 Positionen auf den achten Platz verbessert. Justin Murisier hat in diesem Winter das Podest zwar verpasst, aber der Unterwalliser beeindruckte mit seiner Konstanz. Acht Mal klassierte er sich in den Top-10.
Das vollendete Lebenswerk
Gesamweltcupsiegerin war sie schon einmal (2016). WM-Gold gewann sie zweimal (2021). Mit Olympia-Gold im Super-G krönte Lara Gut-Behrami (30) ihre Karriere endgültig. Sie zählt mehr denn je zur Liste der grössten Skirennfahrerinnen der Ski-Geschichte. Davon will die Tessinerin nichts wissen. «Es ist schön, klar. Aber ich bin wegen des Olympiasieges nicht mehr wert als vorher», sagt sie.
Der beste Fast-Sieger
Wenn Loïc Meillard die Coolness von Marco Odermatt hätte, wäre er wohl unbesiegbar. Der Walliser hat nämlich die feinere Ski-Technik als der Nidwaldner. Aber weil er in den ganz heissen Momenten einen nicht ganz so kühlen Kopf bewahrt wie «Odi», hat Loïc in diesem Winter kein Rennen gewonnen. Aber: Beim Slalom in Garmisch (2.) und beim Riesen in Courchevel grüsste der 25-Jährige vom Podium. Und mit seinem starken Saison-Endspurt hat Loic bewiesen, dass seine Physis genau so stark ist wie seine Ski-Technik.
Die traurigste Serie
Im letzten Winter gehörte Sandro Simonet mit dem dritten Rang beim Slalom in Chamonix zu den grössten Aufsteigern im Swiss-Ski-Team. In dieser Saison ging beim 1,95-Meter-Mann aber alles schief. In neun Slaloms klassierte sich der 27-jährige Bündner acht Mal neben den Punkterängen. Was besonders wehtut: Vor zwei Wochen hat sich Sandro in Flachau das vordere Kreuzband gerissen.
Der kitschigste Höhepunkt
Priska Nufer stand lange im Schatten ihrer Teamkolleginnen. Doch am 27. Februar schlug ihre grosse Stunde: Erster Podestplatz, erster Sieg. Und das mit 30 Jahren. Im 144. Rennen triumphiert die Bauerntochter aus Alpnach OW endlich, sie gewinnt in Crans-Montana die Abfahrt. «Ich habe so oft vor Freude geweint, dass ich nun kaum noch Tränen habe», sagt Nufer tags darauf.
Der peinlichste Kurzfilm
Im ersten Slalom des Winters durfte sich Tanguy Nef (25) als Halbzeit-Vierter Hoffnungen auf seinen ersten Podestplatz machen. Allerdings nur ganz kurz, denn: Der Genfer beging im zweiten Durchgang beim ersten Tor einen «Einfädler». Einen Kurzauftritt ohne Happy-End lieferte der Sohn einer Ärztin und eines Uni-Professors im Februar auch beim Slalom in Garmisch-Partenkirchen ab. Nach dem ersten Lauf in Führung liegend scheiterte Tanguy im Final am vierten Tor.
Die schwächste Hauptdarstellerin
2018 lag ihr die Welt noch zu Füssen. Mélanie Meillard, damals 19-jährig, galt als der kommende Star im Ski-Zirkus. Es kam anders. Die Technikerin aus Héremence VS verletzte sich, verzettelte sich, verfuhr sich. Und so brauchte es vor der Saison wenig, um sie komplett zu verunsichern. Genauer: Ein Trainingssturz in der Diavolezza. Gerade einmal 32 Weltcuppunkte holte Meillard in diesem Winter, das sind 399 weniger als vor vier Jahren. Meillard steht an einem Wendepunkt ihrer Karriere.
Der schwächste Hauptdarsteller
Ein Trainings-Sturz kurz vor Saisonbeginn hat das Drehbuch von Ramon Zenhäusern (29) komplett durcheinander gebracht. Durch die in Schweden erlittene Schulterverletzung stimmt beim Doppel-Meter das Bewegungsmuster in den ersten Rennen des Winters nicht mehr optimal. Deshalb fährt der Oberwalliser, der im Vorwinter vier Podestplätze herausgefahren hat, heuer nur einmal in die Top 10 (4. in Adelboden).