Wenn die Nidwaldner von Marco Odermatt (25) reden, denken sie vielfach auch an Reto Schmidiger. Weil ihre Eltern eine tiefe Freundschaft verbindet, sind «Schmidi» und «Odi» wie Brüder aufgewachsen. Lange Zeit hat Marco zum älteren Reto hinauf geschaut. «Schmidi war mein erstes grosses Vorbild», hält der weltbeste Skirennfahrer der Gegenwart fest.
Dass Schmidiger herausragendes Potenzial verkörpert, hat er 2010 und 2011 mit den Slalom-Goldmedaillen und dem Kombinations-Sieg bei den Junioren-Weltmeisterschaften bewiesen. Doch aufgrund von zahlreichen Verletzungen hat der mittlerweile 31-Jährige den ganz grossen Coup im Weltcup noch nicht geschafft. Und im vorletzten Frühling wurde Schmidiger aus dem Swiss Ski-Kader gestrichen.
Der harte Kampf auf eigene Rechnung
Doch anstatt den Rücktritt zu erklären, kämpft der Hergiswiler seit dem auf eigene Rechnung weiter. Im letzten Winter hat er einige Tausender in die Dienstreise nach Übersee investiert, was sich auf den ersten Blick auch bezahlt gemacht hat. Mit einem Sieg und einem zweiten Rang bei Slaloms im Nordamerika-Cup hat der Innerschweizer wertvolle FIS-Punkte gewonnen.
Und mit den drei Parallel-Triumphen in der US-Profirennserie hat Schmidiger 60'000 Dollar verdient. Dummerweise hat er bis jetzt erst die Hälfte von diesem Preisgeld erhalten. «Ich habe die Amis schon ein paar Mal aufgefordert, dass sie mehr endlich das ganze Geld überweisen. Bis jetzt leider ohne Erfolg.»
«Das ist die ideale Ergänzung»
Das ist mit ein Grund, warum er neben der Tätigkeit als Skirennfahrer jetzt auch einen gutbürgerlichen Job ausübt - Schmidiger arbeitet in diesem Sommer zu 60 Prozent im Gartenbau-Betrieb von Elias Zumbühl. Während Odermatt und Co. in dieser Woche auf dem Zermatter-Gletscher auf Schnee trainieren, baut Reto unter der Anleitung von seinem Vorarbeiter Dani Fluri in seiner Heimatgemeinde einen Vorplatz.
Hier avanciert der Slalom-Spezialist zum Allrounder – er baggert, schaufelt, walzt und fugt. «Obwohl Reto ja keine Ausbildung als Gartenbauer gemacht hat, ist er eine sehr wertvolle Arbeitskraft. Er überzeugt mit einer sehr schnellen Auffassungsgabe», lobt Fluri. Schmidiger erfüllt seine neue Aufgabe mit grosser Genugtuung. «Ich mache diesen Job auch, aber nicht nur des Geldes wegen. Die Tätigkeit im Gartenbau stellt für mich auch ein hervorragendes Training dar. Wenn du vom frühen Morgen bis am Abend bei hohen Temperaturen schaufelst und die Karrette herumschiebst, ist das die ideale Ergänzung zum klassischen Kraft- und Ausdauer-Training eines Skirennfahrers.»
Erinnerungen an Paul Accola
Dass ihm die Ski-Trainingstage auf dem Gletscher fehlen werden, glaubt Schmidiger nicht. «Ich hatte in den letzten Jahren mehrmals das Gefühl, dass ich zu früh mit dem Gletscher-Training begonnen habe. Ich werde deshalb heuer erst Mitte September das Schneetraining in Angriff nehmen.»
Zur Erinnerung: Der legendäre Paul Accola (56) hat während seiner Ski-Karriere in der Sommerzeit mit seinem Bagger auf dem Bau gearbeitet. In der Saison 1991/92 hat der Davoser den Gesamtweltcup gewonnen. Gut möglich, dass auch die Karriere von Reto Schmidiger noch eine ganz besondere Pointe beinhalten wird.