Der provisorische Kalender für den kommenden Alpin-Winter wird von vielen Teamleitern regelrecht verflucht. Insbesondere das Datum für den Speed-Auftakt am 11. bis 12. November in Zermatt-Cervinia. «Für den Abfahrtssport stellt diese Planung eine absolute Katastrophe dar», poltert Österreichs Speed-Cheftrainer Sepp Brunner.
Wo liegt das Problem? Der Reihe nach. Im Vorjahr musste die erstmalige Austragung der Matterhorn-Abfahrt Ende Oktober wegen Schneemangel abgesagt werden. Deshalb will die FIS die beiden Männer-Rennen mit Start in der Schweiz und Ziel in Italien nun am zweiten November-Wochenende durchführen.
Sepp Brunner erklärt, warum bei ihm wegen dieses Planes die Galle hochkommt: «Normalerweise fliegen wir in der zweiten Novemberwoche in die USA nach Copper Mountain, wo wir in den letzten Jahren bei perfekten Bedingungen noch einmal rund zwei Wochen lang optimal Abfahrt trainieren konnten. Dieser Block wäre für uns deshalb besonders wichtig, weil das Speed-Training im Sommer aufgrund der immer stärker schmelzenden Gletscher zu kurz kommt. Wegen des neuen Datums für die Matterhorn-Rennen droht dieses elementare Camp nun komplett auszufallen.»
«Das wird richtig gefährlich!»
Nach der Weltcup-Premiere am Matterhorn wird wohl deshalb keine Zeit für eine Dienstreise ins Ski-Trainingsmekka von Colorado bleiben, weil zehn Tage später im kanadischen Lake Louise das erste Training zur nächsten Weltcup-Abfahrt auf dem Programm steht.
«Wir diskutieren immer wieder darüber, wie wir den Abfahrt-Rennsport sicherer machen könnten. Aber wenn sich die jungen Athleten wie im Fall von dieser Planung nicht mehr ordentlich auf die Rennen vorbereiten können, wird es richtig gefährlich», befürchtet Brunner.
Deutschlands Alpin-Direktor Wolfgang Maier teilt die Vorbehalte des Österreichers und hält fest, «dass sich beim Weltcup-Finale in Andorra mit Ausnahme der Schweiz sämtliche Nationen gegen dieses Datum der Zermatt-Rennen ausgesprochen haben. Aber weil es die Führung der FIS unbedingt so will, ist unser Widerstand offenbar zwecklos.»
Schweizer Teamchef hält dagegen
Swiss-Ski-Cheftrainer Tom Stauffer schüttelt den Kopf, wenn er mit den Beschwerden seiner Berufskollegen aus dem Ausland konfrontiert wird. «Ich kann dieses Gejammer nicht mehr hören», stöhnt der Berner Oberländer. «Dieselben Leute, die sich über zu wenige Rennen beklagen, wenn zwei Wettkämpfe gestrichen werden, beklagen zu viel Stress, wenn eine zusätzliche Weltcup-Station dazukommt – das kann ich nicht ernst nehmen.»
Stauffers Haltung ist entsprechend pragmatisch: «Sobald der Weltcup-Kalender da ist, bin ich als Trainer in der Pflicht, die Vorbereitung möglichst optimal darauf auszurichten. Und manchmal muss man halt einen anderen Schwerpunkt setzen als in den Jahren zuvor. Zudem ist es ja so, dass die Zermatter im Vorfeld der Rennen sämtlichen Teams eine Trainingsmöglichkeit anbieten.»
Riesiges Kunstschnee-Depot
Mit diesem Argument lässt sich DSV-Mann Wolfgang Maier nicht umstimmen. «Die drei oder vier Trainingstage, die wir im November in Zermatt trainieren dürfen, kompensieren ganz sicher nicht 14 Tage, die wir um diese Jahreszeit in Copper Mountain hätten.» Und Austria-Coach Brunner sagt zum Abschluss: «Ich bin ein grosser Befürworter von der Idee, am Fusse des Matterhorns Weltcuprennen durchzuführen. Aber nicht im November, sondern zum Saisonende im März.»
Doch ein Frühlingsrennen steht für die Zermatter auch deshalb nicht zur Debatte, weil es marketingtechnisch nicht denselben Effekt mitbringt, wie das bei der ersten Abfahrt der Saison der Fall sein dürfte. Und damit der Speed-Auftakt in der Matterhorn-Region in diesem Jahr nicht am Schneemangel scheitert, haben die Organisatoren schon ordentlich weisses Gold vorproduziert. Gemäss Insidern lagern im Depot der Zermatter rund 300'000 Kubikmeter Kunstschnee.