Für einen Moment beginnt sogar Marco Odermatts Riesen-Coach Helmut Krug an seinem aussergewöhnlichen Schützling zu zweifeln. Und das, obwohl der 26-jährige Nidwaldner nach dem ersten Lauf auf der Gran Risa in Führung liegt. Doch sein Vorsprung auf Flip Zubcic (30) beträgt lediglich drei Zehntel. Und dem Kroaten ist im zweiten Durchgang ein absoluter Traumlauf geglückt – zwei Sekunden hat er dem Vize-Olympiasieger Zan Kranjec (31) abgeknöpft. «Nach dieser Bombe von Zubcic würde ich nicht mehr allzu viel Geld darauf wetten, dass Marco dieses Rennen noch gewinnen wird», gesteht Krug.
Noch grösser ist die Unsicherheit bei Odermatts Anhang auf der Tribüne. «Ich traue Marco ja sehr viel zu, aber dass er das Rennen nach Zubcics mega Fahrt noch für sich entscheidet, kann ich mir fast nicht vorstellen», gesteht Odermatts Freundin Stella.
Reizfigur überholt
Doch dann demonstriert der amtierende Riesenslalom-Weltmeister und Olympiasieger einmal mehr seine Extraklasse. Bis zur ersten Zwischenzeit büsst er zwar zehn Hundertstel auf den 30-jährigen Riesenslalom-Spezialisten aus Zagreb (drei Weltcupsiege) ein, den Rest-Vorsprung verwaltet Odermatt aber souverän.
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Damit verbucht der zweifache Gesamtweltcupsieger seinen 26. Weltcupsieg, den 16. im Riesenslalom. Im ewigen Riesen-Sieger-Ranking liegt der Buochser somit ein Sieg vor Italiens Superstar Alberto Tomba (56), was für Marcos Vater Walti einer besonderen Genugtuung gleichkommt. Odermatt Senior ist ein eingefleischter Fan von Pirmin Zurbriggen (60). Und weil sich «Tomba la Bomba» mit dem Walliser in der Saison 1987/88 ein legendäres Duell geliefert hat, war der 100-Kilo-Gigant aus der Po-Ebene für Walti eine «Reizfigur».
Als Tomba 1998 beim Weltcupfinal in Crans-Montana VS sein letztes Rennen bestritten hat, war Marco Odermatt fünf Monate alt. Deshalb kann er über den Mann mit insgesamt 50. Weltcupsiegen nicht viel sagen. «Aber ich habe gelesen, dass mich Alberto gerne einmal auf eine Ski-Hütte einladen würde. Sobald ich etwas mehr Zeit habe als jetzt, werde ich diese Einladung sehr gerne annehmen.»
Der Mann hinter der gigantischen Leistung
Während dieser Südtirol-Tour bleibt aber definitiv keine Zeit für eine Après-Ski-Party mit «Grande Alberto». Am Montag steht auf der Gran Risa erneut ein Riesenslalom auf dem Programm. Somit wird Odermatt nach den drei Speed-Rennen in Gröden und der Riesen-Gala in Alta Badia das fünfte Rennen in fünf Tagen bestreiten.
Dass er dieses Monster-Pensum scheinbar spielerisch leicht meistert, ist zu einem grossen Teil auf seinen Kraft- und Konditionstrainer Kurt Kothbauer zurückzuführen. Der Oberösterreicher hat Ende der 90er-Jahre den jungen Hermann Maier richtig fit gemacht. Seit sieben Jahren arbeitet der ehemalige Kugelstosser und Diskuswerfer mit Odermatt zusammen. «Ich habe Kurt extrem viel zu verdanken, von ihm konnte ich von Grund auf den optimalen Bewegungsablauf erlernen. Er hat mir aber auch sonst ganz viele wichtige Dinge für ein Sportlerleben beigebracht, deshalb gelingt es mir auch immer wieder, zwischen den Wettkämpfen besonders gut zu regenerieren.»
Nur einer toppt Odermatts Riesen-Serie
Vor dieser Saison hat Odermatt besonders viel Zeit mit Kothbauer verbracht. «Aufgrund des gigantischen Wettkampf-Pensums, das Odi in diesem Winter absolvieren muss, haben wir in dieser Vorbereitung ein bisschen mehr Wert auf Kraft und Kondition als aufs Skifahren gelegt», erklärt Ski-Trainer Krug. Deshalb hat Odermatt jetzt noch mehr Kraft als bei seinem Weltcup-Rekord (2042 Punkte) in der letzten Saison. 160 Kilo meistert er aktuell bei tiefen Kniebeugen. Das sind zehn Kilo mehr als im Vorjahr.
Besonders eindrücklich ist aber seine Riesen-Serie. Seit dem Oktober 2021 hat Odermatt 19 Weltcup-Riesenslaloms bestritten und ausnahmslos den Sprung aufs Podest geschafft. Eine noch bessere Bilanz kann in dieser Disziplin einzig Schwedens Jahrtausend-Rennfahrer Ingemar Stenmark (67, 86 Weltcupsiege) mit 37 Podestplätzen en Suite vorweisen.