Wenige Stunden nach dem Rücktritt von Beat Feuz konnte sich Österreichs Cheftrainer Marko Pfeifer einen verbalen Seitenhieb in Richtung Swiss Ski nicht verkneifen. «Wenn der Beat aufhört, werden die Schweizer im Speed-Bereich ausser dem Odermatt nicht mehr viel zu bieten haben!»
Doch dann beweisen unsere Abfahrer dem Austria-Boss im wahrscheinlich härtesten Rennen des Winters das Gegenteil. Obwohl neben Feuz auch der Vorjahres-Dritte Niels Hintermann aufgrund einer Grippe forfait erklärt, klassieren sich mit Odermatt (4.), Urs Kryenbühl (6.), Justin Murisier (7.) und Gilles Roulin (8.) auf der komplett vereisten, mit heftigen Schlägen bestückten «Stelvio» vier Skigenossen in den Top-8.
Marco Odermatt hat deshalb ein breites Grinsen im Gesicht, obwohl er den zehnten Podestplatz in diesem Winter verpasst. «Ich freue mich riesig über die Leistungen von Urs, Justin und Gilles. Sie mussten zuletzt heftige Tiefschläge einstecken, jetzt werden sie für ihren grandiosen Kampfgeist belohnt. Absolut geil!»
Kryenbühl ist durch die Tiefschläge gereift
Hinter dem Schwyzer Kryenbühl liegt eine besonders schwierige Zeit. Nach dem Horror-Abflug im Januar 2021 in Kitzbühel (Gehirnerschütterung, Kreuzbandriss und Schlüsselbeinbruch) hat er sich vor knapp elf Monaten im Europacup in Saalbach auch noch das Becken gebrochen.
Doch jetzt meldet sich der 29-Jährige auf der Piste, wo er 2019 Zweiter und 2020 Dritter wurde, in eindrücklicher Manier in der Welt-Elite zurück. «Durch die vielen Rückschläge bin ich als Mensch gereift und habe auch meinen Körper besser kennengelernt», betont Kryenbühl, der sich während rund zwei Jahren vegan ernährt hat. «Von meinem strikten Menü-Plan bin ich in der Zwischenzeit aber abgewichen. Ich bin jetzt «Flexitarier». Ich ernähre mich vorwiegend vegetarisch. Aber wenn ich merke, dass mein Körper nach Fleisch verlangt, gebe ich ihm das auch.»
Odermatts goldener Input
Viel Kraft gibt dem 1,72 Meter-Mann, der wie Wendy Holdener in Unteriberg aufgewachsen ist, auch seine grosse Liebe Nadine. Im letzten Sommer hat er die Lehrerin geheiratet. Als Kryenbühl mit der Startnummer 26 zu seinem Husarenritt über die «Stelvio» ansetzte, hat die Gattin im Zielgelände mitgezittert. «Nadine ist immer brutal nervös, wenn ich ein Rennen bestreite. Diesmal war aber auch ich extrem unruhig vor dem Start, weil ich in den Trainings auf dieser Piste zu wenig Grip hatte.»
Dass sich Kryenbühl im Rennen sehr viel besser fühlt als in der Probe, liegt auch an Marco Odermatt. «Marco hat mir nach dem Training verraten, dass er aufgrund der extremen Bedingungen im Schuhbereich etwas ändern werde. Das habe ich dann auch getan, obwohl ich bezüglich der Schuhe normalerweise nicht gerne kurzfristig Änderungen vornehme.»
Trotz der starken Schweizer Teamleistung darf sich am Ende dieses Tages auch Österreichs Cheftrainer Marko Pfeifer freuen – Doppel-Weltmeister Vincent Kriechmayer beschert seinem Team den zweiten Saisonsieg. Und der Kärntner verneigt sich in der Nachbetrachtung auch vor Kryenbühl und Co.: «Die zweite Schweizer Garde hat mich total beeindruckt. Herzliche Gratulation!»