Es ist eine ordentliche Bombe, die Justin Murisier nach einem Oktober-Training auf der Diavolezza beim Kaffee-Klatsch mit dem SonntagsBlick-Reporter platzen lässt. «Weil die FIS nach dem unfairen WM-Rennen die Regeln nicht angepasst hat, wird von unserem Team niemand beim Weltcup-Parallelrennen in Lech starten», poltert der Unterwalliser! In diesem Moment gesellt sich Daniele Sette zur Gesprächsrunde und fragt: «Bin ich etwa niemand? Ich werde das Rennen in Lech auf jeden Fall bestreiten!»
Nein, spätestens seit letztem Winter ist Sette im Weltcup-Zirkus kein Niemand mehr. Aber der in St. Moritz aufgewachsene Sohn eines aus Italien eingewanderten Tennis-Lehrers wurde von Swiss-Ski lange wie ein Nichtsnutz behandelt.
Das härteste Kapitel in Settes Biografie
Vor rund zehn Jahren taxieren die Kader-Selektionäre Daniele Sette als für den Weltcup untauglich. Doch er kämpft jahrelang auf eigene Rechnung weiter. Da sein Budget arg begrenzt ist, übernachtet er während der Trainingslager oft nicht im Hotel, sondern bei Bekannten auf dem Sofa. Warme Mahlzeiten leistet sich der Mann mit dem besonders kräftigen Bartwuchs damals nur in der Wettkampfvorbereitung.
Dank guten Ergebnissen im Europa- und im Australien-Neuseeland-Cup schafft er es dann doch in den B-Kader von Swiss-Ski. Im letzten Februar wird der Riesenslalom-Spezialist ausgerechnet an seinem 29. Geburtstag für seinen aussergewöhnlichen Kampfgeist belohnt – beim Weltcup-Riesen in Bansko sichert er sich mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang den 12. Schlussrang.
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Abstieg trotz Weltcup-Exploit
Knapp zwei Monate später muss Sette den nächsten Rückschlag einstecken. Swiss-Ski degradiert den Engadiner bei der Kader-Selektion trotz seinem Bulgarien-Exploit von der B- in die C-Mannschaft. «Nach meiner Leistung in Bansko bin ich zumindest davon ausgegangen, dass ich den Kader halten kann. Ich war sehr erstaunt, als ich von meinem Abstieg erfahren habe.»
Doch Sette hat sich von dieser schmerzlichen Nachricht schnell erholt. «Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, wenn ich mir wegen solcher Entscheidungen den Kopf zerbreche. Für mich sind solche Rückschläge heute ein Antrieb, noch mehr Gas zu geben.» Die Kader-Degradierung wirkt sich zwar negativ auf Danieles Finanzen aus, die sportliche Ausgangslage bleibt aber unverändert. Sette darf weiter mit der Riesen-Top-Gruppe um Marco Odermatt, Loïc Meillard, Gino Caviezel und Justin Murisier trainieren.
Kein Fan des Parallel-Riesen
Weil von diesem Super-Quartett in Lech aus dem eingangs erwähnten Grund nur Caviezel startet, ist der einstige «Ski-Bettler» im Schweizer Team plötzlich die Nummer 2! Aber auch Sette spricht gegenüber dem Parallel-Riesenslalom grosse Vorbehalte aus. «Es gab in dieser Disziplin schon viele Rennen, die nicht fair waren. Und durch den geringen Abstand zwischen den beiden Kursen ist auch die Verletzungsgefahr beträchtlich.» Doch Sette kann sich einen Startverzicht nicht leisten. «Ich weiss, dass dieses Rennen für mich auch eine grosse Chance darstellt, und starte total motiviert.»