Auf einen Blick
- Wendy Holdener wird Zweite in Kranjska Gora
- Holdeners Weg frühe Rolle als Teamleaderin hat sie abgehärtet und stärker gemacht
- Historisches Resultat: Sieben Schweizerinnen in den Punkterängen
Am 28. November 2010 holte Wendy Holdener (31) in Aspen (USA) als 18. ihre ersten Weltcuppunkte. Und war im zarten Alter vor 17 Jahren auf Anhieb Schweizer Teamleaderin. Warum? Einfach: Das Schweizer Slalom-Team lag damals auf dem Sterbebett. Holdener hauchte ihm wieder Leben ein, musste aber in den kommenden Jahren viel Last auf den noch schmalen Schultern tragen. Klagen will sie rückblickend nicht. «Dieser Weg hat mich abgehärtet und stärker gemacht. Ich bin froh, wie es war», so die Schwyzerin.
Und heute? Da ist Holdener immer noch die beste Schweizerin – zumindest in Kranjska Gora (Sln). Sie wird hinter Kroatiens Ski-Wunderkind Zrinka Ljutic (20) Zweite. Der grosse Unterschied: Holdener ist nicht mehr alleine. Camille Rast (4.) verliert ihre rote Nummer der Slalom-Führenden im Weltcup, zeigt aber ebenso wie Mélanie Meillard (5.) eine starke Leistung. Weiter hinten folgen Eliane Christen (15.), Elena Stoffel (18.), Janine Mächler (21.) und Michelle Gisin (28.).
Sieben Schweizerinnen in den Punkterängen? Das erlebte Holdener noch nie. Die Statistik hat gar historischen Wert: Letztmals sah man 1993 in Maribor (Sln) so viele helvetische Flaggen in einem Slalom-Klassement.
Ausdauer im Verband zahlt sich aus
«Auch wenn es damals in Ordnung war, fast allein zu sein, ist es auch schön, eine gewisse Masse im Team zu haben. So ist man fast schon sicher, dass man keine Fragen über mögliche Krisen beantworten muss, wenn es selbst nicht läuft», so Holdener.
Tatsächlich ist das Wort Krise weit weg – Swiss-Ski stellt die beste Slalom-Equipe der Gegenwart. Nachwuchsfahrerinnen und die frühere, zweite Garde der etwas älteren Athletinnen drücken nach vorne.
Ein Beispiel dafür ist Eliane Christen. Die 25-Jährige erlitt zwei Schien- und Wadenbeinbrücke, wurde zehnmal operiert und verlor beinahe fünf Jahre. Nach Platz 12 am Semmering wird sie nun 15. «Die Erwartungen und der Druck steigen. Gleichzeitig habe ich gezeigt, was ich kann – das macht auch locker», sagt sie.
Frauen-Cheftrainer Beat Tschuor erklärt: «Die konsequente Arbeit im ganzen Verband trägt immer mehr Früchte. Wir haben Ausdauer bewiesen, als es nicht lief. Es ist eine tolle Dynamik entstanden – nicht nur im Weltcup, sondern auch im Europacup und noch weiter unten. Die Athletinnen sehen, was möglich ist und wollen dies selbst auch erreichen.»
«Schade, dass ich Energie einteilen muss»
Wo dies noch hinführen wird? Zuerst gilt es, den Moment zu geniessen. Holdener erklärt indirekt, dass noch mehr möglich ist. «Mir ging es heute nicht so gut. Diese Rennwochenenden zehren an der Energie, ich kann mich nicht so gut erholen und schlafe schlecht.» Was ihr zu schaffen macht?
Klar, zuletzt litt sie an einer hartnäckigen Erkältung. Vor allem aber verlor sie im letzten Februar ihren Bruder Kevin – er erlag mit nur 34 Jahren seiner Krebserkrankung. «Es ist schade, dass an einem solchen Slalom-Tag meine Energie einteilen muss. Aber ich habe gekämpft und riskiert – ich bereute nichts.»
Das starke Resultat mache es leichter, die nächsten Aufgaben mit vollem Elan anzugehen, so Holdener. «Ich arbeite weiter.» Das werden ihre Teamkolleginnen auch tun.