Ex-Abfahrer Ralph Weber über den schlimmsten Moment in seiner Karriere
«Ich bin mir vorgekommen wie Kanonenfutter!»

Sechs Wochen nach dem Rücktritt als Skirennfahrer spricht Ralph Weber über die Schattenseiten einer Abfahrer-Karriere und zeigt sein neues Zuhause.
Publiziert: 30.03.2024 um 18:57 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2024 um 16:33 Uhr
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Am 17. Februar hat Ralph Weber in Kvitfjell sein 100. und letztes Weltcuprennen bestritten.
Foto: keystone-sda.ch

Ralph Weber hat die Grenze endgültig überschritten. Der gebürtige Gossauer residiert mit seiner Freundin Andrea Hager und den beiden Töchtern Marie und Diana im Bregenzerwald in Österreich. Seine Herzdame ist in dieser Region aufgewachsen. «Wir haben uns bei der Wahl des Wohnorts auf einen Kompromiss geeinigt: Andrea ist mir ein Dorf entgegengekommen, ich ihr ein ganzes Land», erzählt der 30-Jährige augenzwinkernd.

Der Schweizer Meister in der Abfahrt von 2021 hat in der 1673 Einwohner zählenden Gemeinde Au ein prächtiges Eigenheim gebaut. Klar: Mit dem Preisgeld, das er in den letzten elf Jahren verdient hat, hätte sich Weber, der in seiner Weltcup-Karriere zweimal in die Top 10 gefahren ist, kein derartiges Schmuckstück leisten können.

«Für den zehnten Rang am Lauberhorn habe ich 2020 1800 Franken erhalten. Aber ich hatte einige treue Individualsponsoren, denen ich ewig dankbar sein werde. Und weil ich lange bei meinen Eltern wohnen durfte, habe ich ein bisschen Geld auf die Seite gebracht.» Zudem ist seine Lebensgefährtin eine erfolgreiche Unternehmerin.

Andrea Hager produziert massgeschneiderte Naturbettwaren und wurde 2016 mit dem Innovationspreis der österreichischen Wirtschaftskammer ausgezeichnet. Seit der Ostschweizer Mitte Februar in Kvitfjell nach seinem 100. Weltcuprennen den Rücktritt vom Skirennsport erklärt hat, hilft er gelegentlich in der Firma seiner Partnerin aus. Mittelfristig möchte er aber sein eigenes Business aufziehen. «Als ich im letzten Winter aufgrund einer Rückenverletzung keine Rennen bestreiten konnte, habe ich die Ausbildung zum Fitnesstrainer gemacht. Aktuell lasse ich mich zum Athletiktrainer weiterbilden. Möglich, dass ich mich in diesem Bereich selbständig machen werde. Fix ist aber noch nichts.»

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Deshalb hat die Risikobereitschaft gefehlt

Weber wirkt heute total entspannt. Er ist dankbar für die Art und Weise, wie er sich aus dem Ski-Zirkus verabschieden konnte. «Ich hatte tolle Kollegen wie Marc Gisin oder Mauro Caviezel, die nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma den Weltcup quasi durch die Hintertür verlassen mussten. Ich konnte dagegen meine Karriere mit der Abfahrt in Kvitfjell sauber abschliessen. Andrea und die beiden Töchter waren live dabei, als ich in Norwegen meinen letzten Wettkampf bestritten habe. Das war ein wunderschönes, sehr emotionales Erlebnis.»

Eine Frage drängt sich aber nach wie vor auf: Warum hat dieser talentierte Athlet, der 2012 bei den Junioren-Weltmeisterschaften Gold im Super-G und Silber in der Abfahrt gewann, auf höchster Stufe nie den Sprung auf das Podest geschafft? Insider haben immer wieder behauptet, dass Weber auf den gefährlichsten Abfahrtspisten der Welt von seiner Intelligenz eingebremst wurde. Liegen sie richtig?

«Rückblickend ist es sicher so, dass mir der tödliche Trainingssturz von David Poisson 2017 besonders nahe gegangen ist. Ich habe ihn gut gekannt und auch sehr gemocht. Durch seinen Unfall auf einer verhältnismässig leichten Trainingspiste in Nakiska ist mir so richtig bewusst geworden, wie gefährlich unser Sport ist. Und nachdem ich in meiner Karriere einige Verletzungen erlitten hatte, musste ich mir in dieser Saison eingestehen, dass mir die Bereitschaft fehlt, das volle Risiko einzugehen. Der Wille war nicht mehr da, den nächsten Schritt zu machen.» Zumal sich Weber nach der Geburt seiner Kinder am Rennstart immer bewusst war, «dass zu Hause jemand auf mich wartet».

Die Konsequenzen der Impfverweigerung

Ein Rennen gab Weber besonders zu denken. «Das war 2021 bei der Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel. Die Bedingungen waren damals im zweiten Renndrittel derart schlecht, dass man spätestens nach der Nummer 25 hätte abbrechen müssen. Aber damit das Rennen und der Sieg von Beat Feuz gewertet werden konnten, hat die Jury bis zur Startnummer 30 durchgezogen. Ich hatte die 29 und bin mir am Start wie Kanonenfutter vorgekommen. Im ersten Streckenabschnitt konnte ich mich zwar noch komplett überwinden. Aber dann wurde es derart dunkel, dass ich gesagt habe: ‹Freunde, das ist es mir heute nicht wert.› Ich bin dann weit vom Limit entfernt ins Ziel gefahren.»

Diese Anekdote ist bezeichnend für den 103-Kilo-Mann. Er spricht jederzeit das aus, was er wirklich denkt. Mit seiner ehrlichen Art hat er in der Corona-Phase aber auch einige Wegbegleiter verloren. «Nachdem ich öffentlich gemacht habe, dass ich mich nicht impfen lasse und deshalb nicht für die Rennen in Lake Louise zugelassen werde, ist einer aus meinem Fanklub ausgetreten, weil ich seines Erachtens Arbeitsverweigerung betrieben habe.»

Weber hat seine Entscheidung aber nie bereut. «Ich würde es noch einmal genau gleich machen. Mir ist es bei diesem Thema aber nie darum gegangen, dass ich jemandem meine Meinung aufzwinge. Aber ich habe das getan, was meinen Werten entspricht.» Und deshalb ist Ralph Weber auch ohne Weltcupsieg auf dem Konto mit sich im Reinen.

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