Wer kann in Sölden dem überragenden Marco Odermatt gefährlich werden? Die kompetenteste Antwort auf diese Frage liefert Beat Feuz (37): «Die Piste auf dem Rettenbach-Ferner kommt den besonders schnellkräftigen Athleten entgegen. Deshalb glaube ich, dass der Kroate Filip Zubcic und unser Gino Caviezel hier am besten mit Marco mithalten können.»
Der 32-jährige Caviezel hat in Sölden schon ein paarmal eine sehr gute Rolle gespielt. 2020 feierte der Bündner auf dem Tiroler-Gletscher als Dritter seinen ersten Podestplatz im Weltcup, zwölf Monate später fuhr er als Vierter nur knapp am «Stockerl» vorbei. Im letzten Frühling hat der jüngere Bruder von Ex-Super-G-Gesamtweltcupsieger Mauro Caviezel einen Schritt gemacht, der von Experten schon vor dem Auftakt in diesen WM-Winter als gewinnbringend taxiert wird – gemeint ist sein Transfer von Dynastar-Rossignol zu Atomic. «Die Atomic-Piloten waren in dieser Saisonvorbereitung sehr schnell. Es ist offensichtlich, dass sie neues Material besitzen, dass besonders gut funktioniert», glaubt der Walliser Slalom-König Daniel Yule.
Caviezels Abrechnung mit dem alten Ausrüster
Ist das wirklich so? Caviezel lächelt zufrieden: «Ich bin derzeit tatsächlich sehr zufrieden mit dem neuen Atomic-Material. Und weil mein Servicemann Hans-Peter Habersatter in Altenmarkt nur zehn Minuten vom Atomic-Werk entfernt wohnt, kann er besonders schnell reagieren, wenn irgendetwas nicht wie gewünscht läuft.»
In seinem letzten Jahr bei den Franzosen hatte Caviezel Ärger wegen der Bindung. «Die Firma hat sich damals dafür entschieden, dass ausschliesslich Loïc Meillard die neue Bindung fahren darf. Das führte zu einer Missstimmung, weil ich der Meinung bin, dass man eine neue Bindung nur dann richtig schnell weiterentwickeln kann, wenn sie von mehreren Athleten gefahren wird.» Zur Erinnerung: Meillards Exklusiv-Bindung hat in der ersten Hälfte der letzten Saison mehrmals komplett versagt ...
Caviezel macht deutlich, dass bei seinem neuen Ausrüster alles komplett anders funktioniert. «Im Vergleich zu Dynastar gibt es bei Atomic nicht nur bezüglich der Ski einen riesigen Unterschied, auch die Schuhe und ganz besonders die Bindung sind nicht vergleichbar mit meinem vorherigen Material.» Der Riesenslalom- und Super-G-Spezialist geht ins Detail: «Meine letztjährige Bindung hat einen komplett anderen Druckpunkt, der alles viel aggressiver gemacht hat. Mit der Atomic-Bindung fühle ich mich sehr viel freier.»
Eine Veränderung gibt es für den 1,73-Meter-Mann auch im Kraft- und Konditionsbereich: nachdem ihr bisheriger «Schleifer» Kurt Kothbauer ins Red-Bull-Team der beiden Comebacker Lucas Braathen und Marcel Hirscher wechselten, angelten sich Caviezel, Marco Odermatt und Justin Murisier mit Alejo Hervas den langjährigen Athletik-Trainer von Lara Gut-Behrami. «Es hat deshalb bei Swiss Ski einige Leute gegeben, die mit dem Finger auf uns gezeigt haben. Zu Unrecht, schliesslich haben wir uns in dieser Angelegenheit völlig fair verhalten. Nachdem im Februar klar war, dass uns Kurt Kothbauer Swiss Ski verlassen wird, haben wir Alejo gefragt, ob er sich eine Zusammenarbeit mit Lara, Marco, Justin und mir vorstellen könnte.»
Letztendlich war es Hervas, der gänzlich ins Männer-Team wechseln wollte. Aber was macht der Spanier anders als sein Vorgänger aus Österreich? «Kurt hat immer blockweise gearbeitet. Eine Woche Kraft, eine Woche Ausdauer, eine Woche Schnelligkeit. In den Einheiten mit Alejo werden diese Elemente viel mehr kombiniert. Für mich fühlt sich das sehr gut an.» Ein gutes Omen ist für Caviezel auch die Tatsache, dass Beat Feuz in Sölden auf ihn setzt. Schliesslich kommt es nur selten vor, dass der Abfahrts-Olympiasieger von 2022 einen falschen Ski-Tipp abgibt.