Ursprünglich wollte Lucas Braathen (22) Fussballer werden. Bis zu seinem elften Lebensjahr eiferte der Sohn einer Brasilianerin seinen Idolen von der Seleçao nach. Doch seine sportlichen Ambitionen veränderten sich komplett, als ihn sein norwegischer Papa Björn in der Region Oslo beim Skiklub Bærums anmeldete. Der einstige US-Weltklasse-Slalomfahrer Felix McGrath war in diesem Klub als Trainer angestellt. Und dessen Sohn Atle Lie entwickelte sich zum kongenialen Trainingspartner von Lucas. «Wir waren beide 12, als sich Atle Lie und ich geschworen haben, dass wir eines Tages bei einem Weltcuprennen die Ränge 1 und 2 belegen.»
Nun ist dieser Bubentraum beim Slalom am Chuenisbärgli in Erfüllung gegangen – Braathen feiert vor McGrath seinen fünften Weltcupsieg. Dass die beiden ihre kindliche Prophezeiung ausgerechnet im Berner Oberland wahr gemacht haben, ist eine besondere Ironie des Schicksals. 2021 haben Lucas (Kreuzbandriss) und Atle Lie (Knöchel- und Bänderverletzung) nämlich beim Riesenslalom in Adelboden schwere Knieverletzungen erlitten. Und noch im letzten Jahr hat Braathen hier den Wettkampf vor der Einfahrt in den steilen Zielhang abgebrochen, weil er aus Angst vor einem weiteren schweren Sturz seinen inneren Schweinehund nicht überwinden konnte. Doch jetzt ist es der Rest der Slalom-Welt, der sich vor den beiden Alpin-Zwillingen aus dem Norden fürchten muss.