Eigentlich kann sich Marcel Hirscher, was Verletzungen in seiner Karriere anbelangt, ja nicht beklagen. Als einer der wenigen ganz Grossen ist er in seiner Laufbahn ohne schwere Knieverletzung geblieben. Dass es ihn nun in seinem Comeback-Winter erwischt hat, trifft mich.
Schade, dass dieses Abenteuer schon wieder zu Ende ist. Schade, weil ich immer ein grosser Hirscher-Bewunderer war – und ich gerade während meiner Co-Kommentatoren-Zeit beim SRF nicht nur ihn, sondern seine ganze Familie schätzen gelernt habe. Wenn ich mir das Verletzungsvideo anschaue und den Schrei höre, dann leide ich mit ihm. Ich hätte gerne noch ein paar Rennen mehr von ihm gesehen. Ich wäre neugierig gewesen, was für ihn noch dringelegen wäre.
Klar ist für mich aber auch: Trüben wird dieses Saison-Out seine Karriere nicht im Geringsten. Man darf diesen Winter als holländischer Van-Deer-Athlet ohnehin nicht in den gleichen Topf werfen wie den Rest seiner Bilderbuch-Aktivzeit.
Ich finde, man muss einfach akzeptieren, dass ein solcher Typ, wie Marcel einer ist, vom Adrenalin lebt. Das hat ihn immer schon ausgezeichnet und so erfolgreich gemacht. Ich vergleiche ihn gerne mit einem Tiger Woods, der nach wie vor gerne Golf spielt, auch wenn er nicht mehr die ganz grossen Turniere gewinnt. Ich würde es auch verstehen und begrüssen, wenn Roger Federer morgen sagen würde, dass er noch einmal kompetitiv in Wimbledon antreten wolle. Die Fans auf der ganzen Welt würden doch durchdrehen, oder nicht? Natürlich, hinter Hirschers bestens inszenierten Rückkehr standen wirtschaftliche Interessen, aber ich glaube auch, dass sein Ehrgeiz eine entscheidende Rolle gespielt hat.
«Im Speed-Bereich hebe ich bewusst den Mahnfinger»
Solche Comebacks – und das funktioniert nur bei echten Superstars – elektrisieren die Massen immer. Das ist beste Werbung für die jeweilige Sportart. Darum sage ich auch jetzt: Hirschers Comeback ist trotz des Verletzungspechs ein Gewinn für den Ski-Zirkus. Wenn durch seine Präsenz die TV-Quote gestiegen ist, steigert das den Wert für alle – von einem Marco Odermatt bis hinunter zu den Nachwuchsfahrern.
Solche Comebacks sind tolle Geschichten, wobei ich hier schon auch noch betonen muss, dass es nicht ganz überall Sinn macht. Im Speed-Bereich etwa hebe ich bewusst den Mahnfinger. Da wird ein Sturz schnell lebensgefährlich. Das ist nicht zu vergleichen mit einem Ausrutscher in den technischen Disziplinen. Darum mahne ich ja auch bei Lindsey Vonns Plänen zur Vorsicht.
Ob Marcel Hirschers Reise im Weltcup nun tatsächlich beendet ist? Wahrscheinlich. Aber ich würde mich dennoch nicht getrauen, ihn ganz abzuschreiben. Bei ihm muss man auf alles gefasst sein.