5 OPs, 8 Narben, 2 Jahre Pause
Norwegerin Kajsa Lie schreibt ein Ski-Märchen

Die Norwegerin Kajsa Lie (24) verletzte sich schwer, klagte nie, eröffnete stattdessen eine Pizzeria. Nun glänzt sie als Zweite in Cortina.
Publiziert: 23.01.2023 um 10:24 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2023 um 10:59 Uhr
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Kajsa Lie hat in der Nähe von Oslo eine Pizzeria eröffnet. Wie kam sie dazu?
Foto: Instagram
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Mathias GermannReporter Sport

Normalerweise redet Lara Gut-Behrami (31) nicht über Konkurrentinnen. Am Samstag machte sie eine Ausnahme. «Kajsa hat sich vor einigen Jahren schwer verletzt. Es ist schön, dass sie sich zurückgekämpft hat.» Die Tessinerin sprach von Kajsa Vickhoff Lie (24, No), die sie in Cortina mit der Startnummer 30 noch vom Podest verdrängte – ihretwegen wurde Gut-Behrami Vierte statt Dritte.

In der Tat schreibt Lie mit ihrem zweiten Platz ein Märchen, sie liefert die grösste Überraschung der drei Cortina-Tage. Denn: Fast zwei Jahre fiel sie wegen einer komplizierten Verletzung aus, drei Jahre lag ihr letzter Podestplatz zurück. «Ich habe keine Schmerzen mehr. Und wenn das so ist, vergesse ich alles – da bin ich ziemlich blöd», sagt sie lachend. Was Lie meint: Sie hat ihre inneren Fesseln gelöst, nichts hemmt sie mehr.

Zerfetztes linkes Bein

«Ich habe so viel Spass am Skifahren und weiss, dass ich schnell sein kann. Ich werde es wieder ganz nach vorne schaffen.» Rückblick. Es ist Ende Dezember, als Lie dies sagt. Wir treffen die Frohnatur in St. Moritz im Kraftraum. Die acht Narben an ihrem linken Bein sind gut verheilt. «Eine lange Platte ist noch drinnen, neben dem Schienbeinknochen. Das ist gut, so kann ich ihn nicht mehr brechen.»

Was in diesem Augenblick witzig tönt, hat einen schlimmen Hintergrund. Denn: Lie stürzte im Januar in Val di Fassa (It) so schwer, dass Schien- und Wadenbein brachen – dazu wurden Meniskus und Knöchel beschädigt. Ihre Schreie des Schmerzens gingen selbst den TV-Zuschauern durch Mark und Bein. «Was ich damals erlebt habe, wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.»

Für Lie folgen nach ihrem Crash Monate des Leidens. Insgesamt fünfmal wird sie operiert. Ihr Traum, an Olympia 2022 teilzunehmen, platzt. «Ich habe im Januar einen Schlussstrich gezogen und die Ski in den Keller gestellt.» Klagen will die Doppel-Junioren-Weltmeisterin von 2018 (Abfahrt und Super-G) nicht. Vielmehr tut Lie Dinge, wofür sie sonst mitten im Winter keine Zeit gehabt hätte: Sie verbringt viel Zeit mit der Familie, besucht Freunde, fliegt zum Surfen nach Sri Lanka, erstellt einen Youtube-Kanal und eröffnet eine Pizzeria in ihrer Heimat Eiksmarka, einem Vorort von Oslo.

«Sie heisst ‹La Pinsa› und ist eine Art Quartierbeiz. Eltern mit ihren Kindern, aber auch Fussballclubs und Hobby-Langläufer treffen sich dort, um lecker zu essen.» Als sich diese spezielle Möglichkeit geboten habe, hätten ihr Vater und sie sofort zugesagt. «Ich habe viele Wände gestrichen und eine Menge gelernt. Ich bin überzeugt, dass mich jede Erfahrung zu einer besseren Skirennfahrerin macht.»

Heisser Tipp in Méribel

Eine Kajsa-Lie-Pizza gibt es übrigens nicht. Nicht mehr. Dabei stand sie, mit Trüffeln und Salami, einst in den Rezeptbüchern. «Da muss ich definitiv nachhaken. Danke, dass du mich danach fragst», sagt Lie schmunzelnd. Vorerst hat sie allerdings kaum Zeit für kulinarische Themen. Sie will schliesslich die erste Norwegerin sein, die eine Abfahrt gewinnt. Vielleicht gelingt Lie das Kunststück am 11. Februar in Méribel (Fr) – dann wäre sie Weltmeisterin.

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