Die Innerschweizer Schwinger schauen auf eine der miesesten Wochen in ihrer Geschichte zurück. Ohne Joel Wicki (25), der sich bei seiner täglichen Arbeit an der Trennscheibe eine Schnittwunde im Handballen zugezogen hat, konnten die Gastgeber beim Berg-Klassiker auf dem Stoos lediglich 2 von insgesamt 14 Kränzen für sich beanspruchen. Ein historisches Debakel für den grössten Teilverband im ESV.
Doch nun gibt es für die stolzen Urschweizer auch wieder einmal richtig gute Nachrichten. Wickis Wunde ist derart schnell verheilt, dass er am Schwarzsee starten kann. Und schon bald dürfte der ISV mit dem Zuger Pirmin Reichmuth (27) auf seine zweite richtig scharfe Speerspitze zurückgreifen können. Aber der Reihe nach.
Reichmuths beeindruckende Entwicklung
Im Sommer 2019 avanciert der gelernte Metzger nach drei Kreuzbandrissen in fünf Jahren zu einem ganz Bösen. Reichmuth triumphiert in genialer Manier auf dem Brünig und wird am Eidgenössischen vor seiner Haustüre Dritter. Doch seit dem ESAF im Zuger Herthi-Quartier hat dieses überragende Talent keinen einzigen Wettkampf mehr bestritten. Die Kranzfest-Saison 2020 ist aufgrund von Corona komplett ausgefallen. Und im Frühling 2021 wurde bei Pechvogel Pirmin ein weiterer Kreuzbandriss diagnostiziert.
«Wenn es erneut das rechte Knie erwischt hätte, hätte ich meinen Rücktritt erklären müssen. Auch deshalb, weil mir rechts die Ersatzteile für eine weitere OP ausgegangen wären. Aber zum Glück im Unglück hat es diesmal das linke Kreuzband erwischt.» Und in der Zwischenzeit scheint der grosse Kämpfer aus Cham auch diesen Rückschlag bestens verarbeitet zu haben.
«Der Zustand von Pirmins Knie ist nun wieder so gut, dass er seit ein paar Tagen im Training dieselben hochexplosiven Schnellkraftübungen machen kann wie in seinem Supersommer vor drei Jahren. Zudem ist er als Mensch gereift, als Persönlichkeit enorm gewachsen», schwärmt sein Konditionstrainer Tommy Herzog. Pirmin Reichmuth hat sich aber auch körperlich noch einmal weiterentwickelt. Der 1,98-Meter-Mann, der lange Zeit zu den schmächtigen Erscheinungen im Reich der Bösen gehörte, bringt jetzt 130 Kilo auf die Waage. Sein Fettanteil ist aber nach wie vor sehr gering, der 27-Jährige ist ein echtes Muskeltier.
Comeback im Aargau
Aber wann wird dieser Vorzeige-Athlet nun wirklich in den Sägemehrling zurückkehren? «Wenn nicht etwas Gravierendes dazwischen kommt, werde ich am 10. Juli beim Aargauer Kantonalen starten», sagt Reichmuth, der im Training regelmässig dem amtierenden Schwingerkönig begegnet. Das liegt daran, dass auch Christian Stucki (37) in Beromünster von Tommy Herzog gecoacht wird. Seit sich Stucki beim Frühjahrsschwinget in Zäziwil zwei Schultersehnen angerissen hat, sind rund acht Wochen vergangen. Zeitweise war die Titelverteidigung in Pratteln (27./28. August) in ernsthafter Gefahr.
Der König trainiert wieder im Sägemehl
Doch nun macht der Berner «Big Foot» (Schuhgrösse 51) wieder ordentliche Fortschritte. Die ersten Trainings im Sägemehl sind zufriedenstellend verlaufen. Und noch wichtiger: «Die Mediziner haben Stucki versichert, dass sich der Zustand der Schultersehnen durchs Schwingen nicht verschlechtern wird. Wenn er daran glaubt, traue ich ihm am Eidgenössischen noch einmal alles zu», hält Herzog fest.
Mehr Schwingen
Geplant ist, dass Stucki fünf Wochen vor dem Eidgenössischen auf dem Weissenstein gegen die Nordwest- und Ostschweizer einen hochkarätigen Wettkampf-Test absolvieren wird. Bereits am nächsten Sonntag will der zweite noch aktive Berner König sein Comeback geben – Kilian Wenger (32) strebt nach seiner am 11. Mai erlittenen Fussverletzung beim Berner-Jurassischen seinen 97. Kranzgewinn an.
Käsers Rückkehr verzögert sich
Mit Remo Käser (26) befindet sich derzeit noch ein namhafter «Mutze» in der Reha. Unmittelbar nach seinem Ende Mai erlittenen Innenbandriss liess der Drittplatzierte vom Eidgenössischen 2016 verlauten, dass er am 10. Juli das Berner Oberländische bestreiten möchte.
«Nun haben mir aber die Ärzte klargemacht, dass das Oberländische für mich etwas zu früh kommt. Doch ich bin zuversichtlich, dass ich eine Woche später das Berner Kantonale bestreiten kann», orakelt der Sohn von Adrian Käser (Schwingerkönig von 1989).
Remos Mittelländer-Kumpel Michael Wiget wird neun Monate nach seiner Schleimbeutel-Operation heute am Schwarzsee im Einsatz sein. Aber nicht als Schwinger, sondern als Experte für Radio Freiburg. Der 22-jährige Eidgenosse wird vor Pratteln wahrscheinlich nur einen Wettkampf bestreiten. Wann und wo, ist noch nicht klar.