Es sind die strittigsten Szenen am Innerschweizerischen Schwingfest in Dagmersellen. Im vierten Gang kämpft Gast Fabian Staudenmann (23) gegen den abtretenden Werner Suppiger (34) am Boden, bringt sich in Position, um den Luzerner nochmals hochzuheben und für die Höchstnote auf den Rücken zu legen. Doch so weit kommt es nicht. Suppiger dreht sich nach rechts ab, und legt sich sozusagen selbst auf den Rücken.
Das Gleiche wiederholt sich in Staudenmanns fünftem Gang gegen den Rottaler Damian Stöckli (26). Auch der liegt plötzlich überraschend schnell auf dem Rücken. Staudenmann erhält zweimal nur die Note 9.75. Es scheint eine klare Sache. Die beiden haben sich vermutlich absichtlich auf den Rücken gedreht, mutmasst auch SRF-Experte Matthias Sempach (37): «Ganz fair war das nicht.» Die Aussage des Königs hat Gewicht. Als Berner, der im Luzerner Entlebuch lebt, will er es sich mit keinem der beiden Verbände verscherzen.
Meinungen gehen komplett auseinander
Ins gleiche Horn stösst der Technische Leiter der Berner, Roland Gehrig (50). «Wer etwas vom Schwingen versteht, der sieht, dass das gewollt und abgesprochen war.» Unschön sei das. «Wer Gäste zu seinem Fest einlädt, soll diese auch mit Anstand und Respekt behandeln!» Dazu komme, dass König Wicki mit seiner Klasse diese «Hilfeleistungen» seiner Verbandskollegen überhaupt nicht nötig habe – und sie wahrscheinlich auch nicht möchte. «Aber schlussendlich muss das jeder Schwinger selbst entscheiden.»
180 Grad gegensätzlich beurteilt Stefan Muff (45), Technischer Leiter des Innerschweizer Schwingverbands, die strittigen Gänge. «In meinen Augen hat sich Suppiger sicher nicht einfach ergeben. Und bei Stöckli muss man sich fragen, warum Staudenmann, der in dieser Saison wirklich unglaublich stark schwingt, einen solchen Underdog nicht sowieso platt gewinnen kann. Erst mal am Boden, hatte Stöckli keine Chance mehr.» Dass die beiden Schwinger Anweisungen gefolgt sind, davon will Muff gar nichts wissen. «Vom Verband sagt garantiert kein Funktionär einem Schwinger, ob und wie er verlieren soll.»
Verschworenheit gehört dazu
Was hat es also auf sich mit der Verschworenheit im Schwingsport? «An eidgenössischen Festen kommt es sicher vor, dass einer mal einen Gang stellt, um einem Teamkollegen zu helfen», sagt Gehrig vom Berner Verband. Hier stimmt ihm auch sein Innerschweizer Kollege Muff zu. Und ergänzt: «Eine interne Strategie oder gar Rangierung, wie es beispielsweise beim Radsport der Fall ist, gibt es sicher nicht».
Immerhin: Einfluss auf den Festsieg hatten die beiden diskussionsbedürftigen Gänge am Sonntag am Innerschweizerischen nicht. Auch mit zwei weiteren Höchstnoten wäre Staudenmann der Einzug in den Schlussgang verwehrt geblieben.