Die ersten Trainings
Das böse Gen erbt Christian von seinem Vater. Willi Stucki erkämpft als Schwinger 13. Kränze und qualifiziert sich 1983 und 1986 für das Eidgenössische – in Langenthal wie in Sion bestreitet er alle acht Gänge.
1993 nimmt der Senior erstmals seinen grossgewachsenen Buben ins Training in den Schwingkeller. «Aber statt Schwünge zu lernen, hat Chrigu lieber Burgen aus Sägemehl gebaut, während ich trainiert habe», erzählt Willi.
Für Unruhe sorgte der spätere Überschwinger in dieser Phase eher bei seinen Gegenspielern auf dem Fussballplatz. Weil er fast zwei Köpfe grösser war als die meisten Abwehrspieler, hat Stucki viele Tore mit seiner kantigen Stirn erzielt.
Die grossen Probleme
Ab dem zehnten Lebensjahr wird Chrigus Körpergrösse zu einem echten Problem. Weil er ein Jahr später auch seinen Vater überragt, trägt der Willi die Kleider weiter, die dem Junior zu klein geworden sind. «Die Wanderschuhe, die ich dem elfjährigen Chrigu für eine Schulreise gekauft habe, hat mein Mann danach zehn Jahre lang ausgetragen», sagt Mutter Daniela.
Weil die Stuckis Angst haben, dass ihr Bub zu gross wird, suchen sie mit ihm sogar einen Mediziner auf. «Wir mussten uns deshalb mit einem Arzt darüber unterhalten, ob Chrigels Wachstum mit einem künstlichen Eingriff gestoppt werden muss. Der Spezialist versicherte uns aber, dass unser Sohn maximal die Länge von zwei Metern erreichen werde.»
Mit 14 muss Chrigu nicht nur seine Ambitionen als Fussballer begraben. Seine Füsse sind mittlerweile auf Schuhgrösse 51 angewachsen. In dieser Grösse sind in Europa damals keine Fussballschuhe erhältlich. Auch deshalb setzt Stucki in der finalen Phase seiner Teenager-Jahre immer mehr auf den Schwingsport – und qualifiziert sich bereits mit 16 für das Eidgenössische in Nyon.
Die grössten Kritiker
Obwohl er bereits mit 19 am prestigeträchtigen Schwarzsee-Schwinget obenaus schwingt, muss sich Stucki im Frühling seiner Laufbahn jede Menge böse Kritik anhören. 2008 ist es der dreifache König Jörg Abderhalden, der in einem Interview mit der Sonntagszeitung gegen das «Riesenbaby» aus dem Berner Seeland giftet: «Wir haben uns über Jahre hinweg bemüht, Schwingen als Spitzensport in der breiten Öffentlichkeit zu positionieren. Dies ist uns gelungen. Persönlich habe ich einiges dafür investiert. Wenn Christian Stucki öffentlich sagt, er habe im Winter wenig trainiert, und er gewinnt trotzdem die wichtigen Feste, entspricht dies nicht dem Bild der letzten Jahre.»
Zwei Jahre später ist es mit Noldi Ehrensberger der Schwingerkönig von 1977, der öffentlich über Stucki lästert: «Wenn ich Christian beim Schwingen zuschaue, muss ich mich fürchterlich aufregen! Zu meiner Zeit musste einer vier Schwünge aus dem Stand beherrschen, wenn er top sein wollte. Aber Stucki hat neben seiner Masse und seinem Kurzzug nichts zu bieten!»
Im letzten Frühling unterstellt Ehrensberger im Gespräch mit Sonntagsblick Stucki dann auch noch Geldgier: «Christian gehört zu den Schwingern, die nur deshalb bis ins hohe Alter weiter schwingen, weil sie damit viel Geld verdienen.» Abderhaldens Kritik ist in der Zwischenzeit aber verstummt. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Stucki neben dem Toggenburger als einziger den Schwinger «Grand Slam» (Siege am Eidgenössischen, in Kilchberg und am Unspunnen) errungen hat.
Die furchterregende Narbe
2005 prangt während der Rekrutenschule ein riesiger Bluterguss an Stuckis Schienbein. Die Mediziner gehen davon aus, dass ein Fusspilz zu diesem Infekt, welcher Haut und Gewebe aufgefressen hat, geführt hat. «Ich hatte damals die Blutwerte von einem todkranken Mann», verrät Stucki. 18 Monate darf der 1,98-Meter-Gigant nicht schwingen, die riesige Narbe wird ihn ein Leben lang begleiten.
Die Frauen
Die Schwankungen in Stuckis Liebesleben waren zeitweise richtig ausgeprägt. Nachdem er bis 2007 mit der fast 1,90 Meter grossen Schwingerin und Steinstösserin Franziska liiert war, verliebte sich Christian 2008 in eine knapp 165 cm kleine Verkäuferin. Sein grösstes Glück hat er dann aber 2010 gefunden, als der 43-fache Kranzfestsieger anlässlich des Winzerfestes in Erlach BE zum wiederholten Mal Cécile Studer begegnete. «Ich habe sie 2007 das erste Mal gesehen, und eigentlich war mir schon damals klar, dass sie meine Frau fürs Leben ist. Aber Cécile hat eben ein paar Jahre mehr gebraucht, bis sie gemerkt hat, dass ich der Richtige für sie bin.» Seit 2015 sind C&C verheiratet, die Geburten der Söhne Xavier (10) und Elia (8) haben ihre Liebe gekrönt.
Die Grenzüberschreitungen
Im Januar 2010 besuchte Stucki mit seinem Berner Kumpel Roger Brügger in Japan ein Trainings-Camp der Sumo-Ringer. «Nach ein paar Minuten in dieser Halle wäre ich am liebsten sofort wieder abgereist», gesteht der 133-fache Kranzgewinner. Warum? «Das Training der Sumos war furchteinflössend, ihre Zweikämpfe haben mich an die Frontalkollision von zwei VW-Käfern erinnert, es hat wirklich ganz heftig ‹geklöpft›. Und die gigantischen Japaner haben uns Schweizer Schwinger anfänglich auch nicht für voll genommen.»
Das hat sich dann jedoch schlagartig geändert, als Stucki den Sumos in der Garderobe demonstriert hat, wie man mit einer Hand einen Apfel zerquetscht. Selbst die stärksten Sumotori sind beim Versuch, Stuckis Kunststück nachzumachen, kläglich gescheitert. 2017 hat sich der siebenfache Eidgenosse in mit dem Schwingen verwandten Sportarten im Senagal, Indien, der Mongolei und Österreich versucht. Ergebnis: «Ich habe überall mal ‹uf d Schnurrä becho› und mal gewonnen.»