Es gibt nur wenige Menschen, die Matthias Glarner (31) so nahe stehen wie Hanspeter Wenger. «Mätthel ist für mich wie ein Sohn», sagt der Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Meiringen-Hasliberg. Kein Wunder, kennt er Glarner doch seit dessen siebenten Altersjahr. Dass ihm die Nachricht von Glarners Horror-Sturz nah geht, versteht sich von selbst. Seine Stimme wird kurz zittrig, als er daran zurückdenkt. «Der Unfall geschah um 07:55 Uhr. Drei Minuten später, nachdem Polizei und Rettungsdienst aufgeboten wurden, hat man mich angerufen.»
Zuerst habe er gar nicht verstanden, was passiert sei, erzählt Wenger. «Meine erste Frage war, wie es Matthias geht. Man sagte mir, dass er im Gras sitzen und antworten würde – er war also ansprechbar. Das war eine riesige Erleichterung.» Nach und nach wird dem Mann, der nicht nur Glarners Chef, sondern auch dessen Förderer und Freund ist, bewusst: Glarner fiel von der Gondel aus 12 Metern Höhe zu Boden. «Unglaublich. Mein erster Gedanke war: Gottseidank ist Matthias so muskulös. Ohne Muskeln wäre er gelähmt oder tot – das bestätigten auch die Ärzte.»
Dass der 114-Kilo-Koloss letztlich mit einer Beckenringsprengung und einer schweren Sprunggelenksverletzung davon gekommen sei, ist für Wenger nur etwas: «Ein Riesenglück. Es fällt mir schwer, an Zufall zu glauben – das war wohl Schicksal. Es gibt so viele kleine Dinge, die mitgespielt und für Matthias gesprochen haben.»
Darum überlebte Glarner den Horror-Sturz
Wenger, der das Haslital-Gebiet wie seine Hosentasche kennt, spricht von mehreren «Mosaiksteinchen des Glücks». Er nennt vier Punkte: «Erstens: Unter jedem Masten ist auch eine Betonplatte. Kaum zu denken, was bei einem Aufprall passiert wäre. Zweitens: Matthias fiel in die Wiese, nicht auf Steine oder Geröll. Drittens: An der Stelle seines Absturzes ist es steil. Es ist wie beim Skifahren: Stürzt man ins Flache, erwischt es einen viel schlimmer. Viertens: In der Nacht davor hatte es lange geregnet. Der Boden war dadurch nicht mehr hart wie Beton, sondern aufgeweicht.»
Spekulieren, wie es zum Unfall gekommen sei, will Wenger nicht. Auch er möchte die Untersuchungen von offizieller Stelle abwarten. Fakt ist: Glarner ist seit drei Jahren fest bei den Bergbahnen Meiringen-Hasliberg angestellt – zuerst in einem 80-Prozent-Pensum, seit seinem Schwingerkönig-Titel zu 60 Prozent. «Er verfügt über die entsprechende Ausbildung und Sachkenntnis um auf Gondeln und Masten zu arbeiten. Zudem war er mit der persönlichen Sicherheitsausrüstung und einem Funkgerät ausgerüstet.»
Tatsächlich war Glarners Arbeit so gut, dass er im letzten Herbst und Frühling sogar als Personal-Coach fungierte und Revisions-Teams leitete. Umso mysteriöser der Unfallhergang. Das ist für Wenger im Moment aber sowieso nicht entscheidend. «Mätthel muss jetzt zuerst gesund werden. Ich bin überzeugt, dass er wieder schwingen wird – dafür lebt er. Die letzten zwei Jahre, die er noch im Sinn hat zu schwingen, will er durchziehen – mit jeder Garantie und Gewalt. Aufhören ist für ihn überhaupt kein Thema!»
Dass dies keine Worthülsen sind, macht folgende Schilderung Wengers deutlich: «Kurz vor der Operation habe ich mit Matthias telefoniert. Er sagte: ‹Du, Hanspeter, vielleicht reicht es mir heute Abend nicht mehr ins Training in den Schwingkeller.› Unglaublich.»