Zum 38. Geburtstag hat sich Christian Stucki am Dienstagmittag eine Cremeschnitte und vier Lindor-Kugeln gegönnt. Die Nachricht, die der Schwingerkönig von 2019 ein paar Stunden später verkündet, dürfte dagegen einem Grossteil seiner Fans auf den Magen geschlagen haben. «Die kommende Saison wird meine letzte sein. Es ist Zeit, neue Wege zu gehen.»
Einer grossen Überraschung kommt die Rücktritts-Ankündigung des 133-fachen Kranzgewinners aber nicht gleich. Bereits im November sagte Stucki in einem Gespräch mit Blick: «Es ist möglich, dass ich im nächsten Sommer noch einige Wettkämpfe bestreiten werde. Es kann aber auch sein, dass ich gar kein Schwingfest mehr bestreiten werde.»
Die Schulter schmerzt noch immer
In der Zwischenzeit hat sich beim 1.98-Meter-Riesen zwar der Wunsch erhärtet, dass er zumindest am 11. Juni am Berner Seeländischen in seiner Wohngemeinde Lyss noch einmal so richtig zupacken kann. Dort werden mit dem Thurgauer Samuel Giger und dem Zuger Pirmin Reichmuth auch zwei hochkarätige Gäste in die Zwilchhosen steigen.
Ob Stucki bis dahin aber wirklich noch einmal konkurrenzfähig sein wird, bleibt weiterhin fraglich. Weil der 43-fache Kranzfestsieger nach wie vor unter dem im letzten Frühling erlittenen Teilabriss der Schultersehnen leidet, muss sein Coach Tommy Herzog im Vorbereitungstraining Abstriche machen. «In seinen Top-Zeiten hat Chrigu Kniebeugen mit 250 Kilo auf der Hantel gemacht, das funktioniert mit der lädierten Schulter natürlich nicht. Es geht jetzt darum, dass wir ein Athletik-Training absolvieren, bei dem Chrigus Schulter geschont wird.»
Zweimal pro Woche nimmt Stucki von seinem Wohnzimmer aus an Herzogs Online-Trainingsprogramm «Digital Burn Express» teil. «Bei dieser Trainingsmethode handelt es sich um eine einmalige Kombination von Kraft, Ausdauer und Intervall, welche die Muskeln regelrecht zum Brennen bringt.»
Obwohl Stucki gemäss seinem Übungsleiter sehr gut auf diese und andere alternative Trainingsmethoden anspricht, scheint es unwahrscheinlich, dass der Schweizer Sportler des Jahres 2019 bis zum Saisonhöhepunkt am Unspunnen in Interlaken (27. August) durchhalten wird. Insider gehen davon aus, dass Stucki nach dem Berner Seeländischen höchstens noch das Berner Kantonale am 25. Juni in Tramelan bestreiten wird.
Er mag keine Austern
Nöldi Forrer (44, Schwingerkönig von 2001) erklärt, warum das Kräftemessen am Unspunnen in Stuckis Überlegungen keine Rolle mehr spielen dürfte: «Weil an diesem nationalen Wettkampf im Gegensatz zum Eidgenössischen Schwingfest oder dem Seeländischen keine Kränze verteilt werden, zählt in Interlaken einzig der Festsieg. Und die Chance, dass Stucki seinen Unspunnen-Sieg von 2017 wiederholen kann, ist bei allem Respekt vor diesem grandiosen Schwingerkollegen sehr klein.»
Eines steht schon jetzt fest: Der Mann mit der Schuhgrösse 51 wird in der Sägemehlschweiz nicht nur als Schwinger eine riesige Lücke hinterlassen. Fehlen werden uns auch seine oft sehr amüsanten Interviews. So wie im November 2014, als Stucki mit Blick den Berner Eishockey-Star Mark Streit in Philadelphia besuchte. Als Streit seinen «bösen» Kumpel aus dem Berner Seeland zu einem Abendessen in ein Restaurant einladen wollte, in dem vor allem Austern geschlürft werden, schüttelte «Chrigu» sein kantiges Haupt und sagte: «Austern schmecken für mich ungefähr so, wie wenn ich in meinem Hals einen ‹Choder› hochziehe und dann wieder schlucke.»
Somit wäre bewiesen, dass Stucki auch als gut verdienender König im Herzen immer ein bodenständiger Eidgenosse geblieben ist.