Es ist wie ihr zweites zu Hause, das Hallenbad in Zürich-Oerlikon. Hier trainiert die Wasserspringerin Michelle Heimberg (23) an sechs von sieben Tagen in der Woche. Wenige Tage vor ihrem Abflug an die Europameisterschaft in Polen sitzt sie etwas abseits vom Trubel auf einer grossen Turnmatratze und dehnt ihre Arme und Beine. Es folgen Saltos aus dem Stand, Purzelbäume mit Strecksprüngen. Dann gehts ab aufs Trampolin, direkt neben den Sprungtürmen. Heimberg wirbelt durch die Luft. Ihre Bewegungen sind elegant, präzise, kraftvoll.
Bewegung liegt ihr im Blut. Das weiss sie schon, seit sie ganz klein ist. Um den Bewegungsdrang der Tochter zu befriedigen, schickten Heimbergs ihre damals fünfjährige Tochter ins Kunstturnen. Das Potenzial der Fislisbacherin war gross, genauso wie ihr Eifer und ihre Leidenschaft. Schon bald träumte sie von der Teilnahme an Olympischen Spielen. Doch der Körper machte dem Mädchen einen Strich durch die Rechnung.
«Langweilig darf es nicht sein»
«2011 habe ich mir die eine, 2012 die andere Kniescheibe gebrochen.» Die Ära Kunstturnen war zu Ende. Nachbarn hätten in dieser Zeit oft besorgt bei den Eltern geklingelt, weil klein Michelle trotz Gips auf dem Spielplatz rumgerannt sei. Es war glasklar – sie brauchte eine neue Sportart.
Knieschonend und olympisch musste die sein. Viele Teamsportarten oder auch Leichtathletik fielen durch diese Kriterien schon mal weg. Schwimmen war der quirligen Teenagerin zu monoton. Beim Ruderclub besuchte sie ein Schnuppertraining. Ihr Fazit: ebenfalls langweilig. Sie brauchte Action. Dann entdeckte sie das Wasserspringen: «Es hat eine unglaubliche Bewegungsvielfalt, genauso wie das Kunstturnen.» In der jungen Athletin entfacht eine neue Leidenschaft. «Manche Sprünge fühlen sich fast wie Fliegen an.»
Ein Schweizer Ausnahmetalent
Um ideal trainieren zu können, verlässt die Sportlerin bereits mit 16 Jahren das Elternhaus im Aargau und zieht nach Genf. Dort trainiert sie in einem Team. Doch niemand konnte ihr das Wasser reichen, erzählt ihre Trainerin Beatrix Rois-Szakadati am Beckenrand, während sie die Sprünge ihres Schützlings mit dem iPhone filmt. Weil sich Heimberg in der Westschweiz isoliert fühlte, kehrte sie in die Heimat zurück. Ihre Trainerin würde es begrüssen, wenn Michelle wieder mit Teamkollegen trainieren könnte. Doch es gibt niemanden in der Deutschschweiz, der auch nur annähernd auf ihrem Niveau springt.
Bei den Juniorinnen reihte sich Erfolg an Erfolg. Mit 17 Jahren schrieb die junge Frau schliesslich Sportgeschichte. Bei der Europameisterschaft in Kiew holte sie vom 3-Meter-Brett Silber. Es war die allererste Medaille für die Schweiz in der über 100-jährigen Geschichte des Sports. Bis heute sind zwei weitere EM-Silbermedaillen dazugekommen.
Das macht stolz. Und es macht die endlosen Trainings bezahlt, bei denen Heimberg auch gut und gerne 50 Mal aufs Sprungbrett hochklettert, nur um eine Drehung noch ein bisschen präziser, eine Landung noch ein bisschen gerader hinzubekommen.
«Damit werde ich nicht reich»
Kaufen kann sich die Wasserspringerin im wörtlichen Sinne wenig von diesen Erfolgen. «Ich wusste von Anfang an, dass ich in diesem Sport nie viel Geld verdienen werde.» Als Spitzensport-Soldatin wird sie zwar von der Armee finanziell unterstützt, und auch die Sporthilfe leistet Beiträge. Doch langfristig muss die beste Wasserspringerin der Schweiz anderweitig Geld verdienen. Den Weg dafür hat sie schon eingeschlagen. Sie studiert an der Uni Zürich Medienforschung und Kommunikationswissenschaften. Möchte irgendwann mal in einer Stiftung, oder auch im Verband arbeiten.
Doch diese Pläne sind noch weit weg. Nun stehen mit dem Auftritt an der EM am Sonntag in Polen und der Weltmeisterschaft im August die nächsten Grossanlässe an, an denen Michelle Heimberg die einzige Schweizer Hoffnung ist. Es könnte gut sein, dass sich zu ihren drei Silbermedaillen eine weitere, vielleicht sogar goldene dazu gesellt.
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