So etwas hat Danilo Wyss (34) in seinen 13 Jahren als Radrennfahrer noch nie erlebt. Am vergangenen Donnerstag wird er gegen Mitternacht abrupt geweckt. So wie all seine Teamkollegen. «Man teilte uns mit, dass es zwei Coronavirus-Fälle im Tross gibt und dass wir das Hotel nicht mehr verlassen dürfen», erzählt er. Die UAE Tour wird abgebrochen und alle Fahrer, Betreuer und Journalisten in Quarantäne gesteckt. Rund 600 Personen werden eingesperrt. «Angst hatte ich nicht, denn ich fühlte mich nicht krank. Gleichzeitig beunruhigte mich die Situation, denn wir bekamen fast keine Informationen – weder von den Organisatoren noch von den Behörden. Es war bizarr», so Wyss.
Letztlich bleibt es bei zwei positiven Fällen, die angesteckten Mechaniker aus Italien sind weiterhin im Spital. Bis Wyss allerdings das Hotel verlassen darf, vergehen quälend lange Tage. Von seinem Team NTT Pro Cycling gibts einen Maulkorb, der Romand darf nicht mit Journalisten reden. «Sorry», schreibt er BLICK per WhatsApp und verweist auf den Mediensprecher der Equipe. Auch diesem sind die Hände gebunden, weil die lokalen Behörden eine Informationssperre herausgeben.
«Am Freitag Mittag war ich dann dran mit dem Test. Dabei wurde mir mit einem Wattestäbchen Nasenschleim entnommen. Man sagte, dass die Analyse normalerweise vier bis sechs Stunden dauert. Dann könnte man mit einem Resultat rechnen. Doch weil mehrere hundert Leute kontrolliert wurden, waren es 24 Stunden.»
Gefangen im goldenen Käfig
Wyss vertreibt sich die Zeit im Hotel mit Schlafen, er liest auch und geht wie viele andere immer wieder ins Fitness-Studio. Das Luxushotel «W» direkt an der Formel-1-Rennstrecke verkommt zum goldenen Käfig. «Das Schlimmste war, dass ich meiner Familie zuhause nicht sagen konnte, wann ich wieder bei ihnen sein würde», erzählt Wyss. Zuhause sitzen seine Frau Vanessa und seine geliebten Kinder Liam (7) und Milana (8) wie auf Nadeln. «Ich hatte schon Mühe, um einzuschlafen», sagt Vanessa. Immerhin konnten sie mit Wyss skypen und ihn so auch sehen, «das war für mich, aber auch für die Kinder wichtig.»
Zurück nach Abu Dhabi. Dort wundert sich Wyss, dass alle im Hotel weiterhin gemeinsam essen und es auch sonst keine Vorsichtsvorkehrungen gibt. «Wenn einige Personen den Virus gehabt hätten, wären wir wohl alle infiziert worden.» Die Befürchtung zerschlägt sich, alle Tests sind negativ. Am Sonntagabend erhält der Schweizer Meister von 2015 dann endlich grünes Licht, um abzureisen. Sofort macht er sich auf zum Flughafen, am Montagmittag erreicht er Genf. Dort kann Wyss seine Familie endlich wieder in den Arm nehmen. «Alles war sehr kompliziert. Aber jetzt bin ich froh, wieder zuhause zu sein», sagt er.