«Wir sind froh, dass er überhaupt noch lebt»
Ex-Tour-Sieger Froome ist nur noch Wasserträger

Wer gewinnt die 108. Tour de France? Sicher nicht Chris Froome (36). Dennoch ist er ein Sieger der Herzen – bereits vor dem Start.
Publiziert: 26.06.2021 um 00:59 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2021 um 07:52 Uhr
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Rückblick. Im Juni 2019 donnert Froome vor dem Dauphiné in eine Hauswand. Man befürchtet das Schlimmste.
Foto: AFP
Mathias Germann

Als Christopher Clive Froome (36) die Bühne betritt, staunt er nicht schlecht. Es gibt wärmenden Applaus. Die Teampräsentation bei der Tour de France tut seiner Seele gut. «Es war immer mein Traum, es bis hierher zu schaffen», sagt er zum Publikum. Applaus brandet in der bretonischen Stadt Brest, dem Tour-Startort, auf.

Froome ist nun Wasserträger

Auf den ersten Blick erstaunen Froomes kleinlaute Worte – er ist viermaliger Tour-Sieger. Trotzdem wurde der Brite von den Franzosen nie geliebt, höchstens respektiert. Es gab gar Zeiten, da gab es Buhrufe und Beleidigungen, weil Froome wie ein Rad-Roboter fuhr und sich auch so gab: unnahbar, emotionslos, überehrgeizig.

Die Salbutamol-Affäre tat ihr übriges – bei einer Probe 2018 war der Grenzwert für das Asthmamittel fast um das Doppelte zu hoch. Froome erhielt einen Freispruch. Für viele Fans war dennoch klar: Dieser Mann sollte nie auf der gleichen Stufe stehen wie die fünfmaligen Tour-Sieger Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain.

Wird er auch kaum. Das hat einerseits mit Froomes Alter zu tun. Der letzte Tour-Sieger mit mehr als 35 Jahren war Firmin Lambot (Be) 1922. Vor allem aber ist er nicht mehr der Froome früherer Tage. Wie sollte er auch? «Wir sind froh, dass er überhaupt noch lebt», sagt Reto Hollenstein (35).

Der Thurgauer ist Froomes Teamkollege beim Team Israel Start Up Nation und spricht den 12. Juni 2019 an. Damals knallte Froome im Training mit 60 km/h in eine Wand. Warum? Er wollte sich die Nase putzen und nahm die Hände vom Lenker. Oberschenkel, Hüfte, Brustbein, Ellenbogen und Halswirbel brachen und die Lunge kollabierte.

Froome sprang dem Tod von der Schippe. Und jetzt fährt er die Tour. «Was er geschafft hat, ist unglaublich. Es ist eine Ehre, mit ihm zu fahren», sagt Hollenstein.

Alle gegen das Pogacar und Roglic

Zu den Tour-Favoriten zählt Froome nicht mehr. Das sind: Tadej Pogacar (22), der Vorjahressieger. Dazu Primoz Roglic (31), sein slowenischer Landsmann. Schliesslich Geraint Thomas (35), der Sieger von 2018. Für Froome wird es dennoch eine schöne Tour – vielleicht sogar die schönste seines Lebens. Er hat es gepackt – die Anerkennung dafür tut ihm gut.

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