Sie stehen in der Churer Altstadt plötzlich da. Eine ganze Gruppe von chinesischen Mountainbike-Fahrerinnen und Fahrern lehnt ihre Velos in Windeseile an die Häuser und steht für ein Selfiefoto mit Nino Schurter (am Samstag 37) Schlange. Die Mountainbike-Lichtgestalt lacht und findet trotz etwas Verständigungsproblemen heraus, dass es sich um das Nationalteam aus China handelt.
Was die Bike-Exoten in Chur machen? Sie fahren am Sonntag wie viele andere internationale Bike-Cracks wie natürlich auch Schurter selber zur Vorbereitung auf den Weltcupstart in einer Woche das Rennen der «ÖKK Bike Revolution».
Was die Renngruppe aus China aber kaum weiss: Mit Schurter haben sie nicht nur den grossen Star ihrer Sportart angetroffen. Sie haben auch Selfies mit einem der Organisatoren des Churer Rennens geknipst.
Der Besen ist symbolisch – die Mitarbeit real
Denn Schurter ist der schnellste Rennorganisator der Schweiz. Sein Karriereende ist nicht abzusehen, er jagt auch diese Saison Weltcup-Rekorde und WM-Medaillen: «Ich fühle mich sehr gut und liebe meinen Sport noch immer!» Doch bei der Bike Revolution pedalt der Weltmeister nicht nur mit, Schurter arbeitet auch mit.
Deshalb greift er sich symbolisch für Blick eine Werkzeugkiste und schultert den Besen. Und das auf den Churer Strassen, wo er am Sonntag über die von 830 Absperrgittern gesäumte Rennstrecke rasen wird.
Auf dem Circuit durch die Altstadt und durch den Wald auf dem Mittenberg, den er selber entworfen hat. Start und Ziel mitten in einer 40'000-Einwohner-Stadt – ziemlich ungewöhnlich für die Offroad-Sparte. «Es ist cool, den Sport zu den Leuten in die Stadt zu bringen», sagt Schurter.
Der Bündner ist einer der vier Bosse der Rennserie, die 2023 auch in Tamaro TI, Engelberg OW, Davos GR und Huttwil BE startet. «Ich bin vor allem beratend tätig. Ich nehme an den Sitzungen teil, wenn Entscheidungen gefällt werden. Und natürlich kann mein Name auch helfen, wenn es um Sponsoren geht», sagt der Olympiasieger von Rio.
Mehr Preisgeld als im Weltcup
Warum braucht es im Land der vielen Bike-Rennen eine weitere Meisterschaft? «Wir wollen nicht nur ein Velorennen sein, sondern ein Event für die ganze Bike-Community. Von der Grösse her positionieren wir uns direkt hinter dem Weltcup», sagt Schurter.
In einem Punkt sogar vor dem Weltcup: Beim Preisgeld. Mit 160'000 Franken Gesamtprämie für diese Saison ist die neue Schweizer Rennserie lukrativer als der Weltcup. «Das soll durchaus auch international ein Zeichen sein, was beim Preisgeld eigentlich möglich wäre.»
Das Preisgeld und auch der Sieg in Chur ist für Schurter aber nicht ganz so wichtig. «Ich will einfach ein gutes Gefühl für den Weltcupauftakt holen.» Schon in einer Woche beim Weltcupauftakt in Tschechien kann sich Schurter in einer weiteren Kategorie unsterblich machen: Holt er seinen 34. Weltcupsieg, ist er alleiniger Rekordhalter. «Der Weltcup ist mir diese Saison wichtiger, als mich vielleicht für meine fünften Olympischen Spiele zu qualifizieren», sagt der Churer. Und posiert schon wieder für ein Selfie, obwohl die Chinesen wieder weg sind. Diesmal ist es eine ältere Touristin, die den Champion erkannt hat.