Er ist der erste Mann aus Eritrea, der eine Etappe der Tour de Suisse gewinnt: Biniam Girmay. Im Ziel wird er von seinen Landsleuten bestürmt, umarmt, geküsst. «Bini, Bini, Bini!», rufen Dutzende.
Kein Wunder: Soeben hat Girmay einen perfekten Sprint hingelegt. Der 23-Jährige trocknet die gesamte europäische Sprint-Elite ab. «Ganz ehrlich? Das hätte ich nicht gedacht. Dieser Sieg bedeutet mir viel.»
Unfall mit Champagnerflasche
Wer nun denkt, Girmays Sieg sei eine Sensation, irrt. Zwar ist er einer von nur zwei Afrikanern im derzeit 160 Mann starken Feld der Tour de Suisse. Aber seine Klasse ist unbestritten. Im letzten Jahr gewann er den Klassiker Gent–Wevelgem und eine Giro-Etappe und schrieb damit Geschichte.
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Kurios: Kurz nach seinem Sieg bei der Italien-Rundfahrt musste er das Rennen aufgeben. Der Grund? Der Familienvater hatte die Champagnerflasche auf dem Podest so ungeschickt geöffnet, dass ihm der Korken ins linke Auge knallte. Die Diagnose: Blutung der vorderen Augenkammer.
Er fühlte sich einsam
Girmay ist wieder gesund. Auch die Gehirnerschütterung, die er im Frühling erlitt, ist auskuriert. Sicher ist: Auch die Etappe nach Villars-sur-Ollon wird emotional, passiert das Feld doch vorher Aigle. Im Waadt begann er mit 18 Jahren seine Karriere – er war Teil eines Förderprogramms der UCI für Nachwuchsathleten aus strukturschwachen Ländern. Gegenüber Blick erzählt er: «Damals wollte ich nach einer Woche hinschmeissen. Alles war so strukturiert, mir fehlten Familie und Freunde. Ich fühlte mich einsam, wurde fast verrückt.»
Girmay biss sich durch – es lohnte sich. In seiner Heimat ist er ein Volksheld. Und die Aussicht auf die WM 2025, die erstmals in Afrika stattfinden wird, freut ihn besonders. «Die Rennen finden in Ruanda statt, sind aber für den ganzen Kontinent wichtig. Das wird hoffentlich der Startschuss zu etwas Grossem sein.»