Wer die Champions League gewinnt, ist in aller Munde. Der Thurgauer Claudio Imhof (32) hat genau das erreicht. Doch er ist nicht Fussball-Profi, sondern Radfahrer. Genauer: Bahnradfahrer. «Ich hätte schon gedacht, dass es einige Schlagzeilen mehr geben würde. Gleichzeitig ist mir klar, dass dieser Titel nicht mit dem Fussball zu vergleichen ist», sagt er. Geschafft hat Imhof das Kunststück vor zwei Monaten in der ausverkauften Londoner Olympiahalle. «Es war ein Tollhaus, man verstand sein eigenes Wort nicht mehr. Das werde ich nie vergessen.»
«Auf den Geschmack gebracht»
Wir treffen Imhof in Ipsach BE, etwas oberhalb von Biel. Am Mittwoch gilt es für ihn wieder ernst – mit einem Heimspiel, der Bahn-EM in Grenchen. «Ich bin bereit», sagt Imhof. Sein Programm ist happig: Bahnvierer, Einzelverfolgung, Madison – er hat viel vor. «Leider hat der Bahnradsport nicht mehr den Stellenwert früherer Tage. Ich kam eine Generation zu spät auf die Welt, um davon zu profitieren.»
Klagen will der gelernte Milchtechnologe nicht. Würde er es tun, hätte er schon lange aufgehört. Geld und Ruhm treiben ihn nicht an, sondern die Liebe zum Sport. Diese Leidenschaft teilt auch seine Freundin Marie-Lise. «Claudio hat mich auf den Geschmack gebracht», sagt sie. In ihrer Wohnung stehen gleich drei Rennräder. Viel Zeit für ihr Hobby ist nicht da, als Physiotherapeutin hat sie – im wahrsten Sinne des Wortes – alle Hände voll zu tun. Auch jetzt, als Imhof sich von seiner Liebsten an der Schulter behandeln lässt. «Lisi ist ein Schatz. Obwohl sie selbst zu 100 Prozent berufstätig ist, unterstützt sie mich überall, wo es geht», so Imhof. An der EM wird sie für das Schweizer Team arbeiten.
Imhof stürzte fürchterlich
Besonders wichtig war die Hilfe seiner Herzensdame im vergangenen März. Rückblick. Bei einem Aerodynamik-Training mit dem Team auf der Grenchner Bahn stürzt er so schwer, dass man zunächst das Schlimmste befürchten muss. Er erleidet tiefe Schnittwunden im Gesicht, bricht die Nase und zieht sich ein Schädel-Hirn-Trauma zu. «Ich war fünf Stunden komplett weg und bin froh, überhaupt noch da zu sein», so Imhof. Es folgen Monate der Ungewissheit, des Zweifelns, der Sorgen. «Claudio hat gekämpft wie ein Löwe, ich bin sehr stolz auf ihn», sagt Marie-Lise. Er dagegen meint: «Ich weiss nicht, ob ich es ohne Lisi geschafft hätte.»
Nun blickt Imhof nach vorne. Sein Ziel ist eine EM-Medaille. «Ich werde alles daran setzen, dass es klappt.» So oder so gilt: Die grösste Hürde in seinem Leben hat er bereits übersprungen.