Die Vergangenheit holt mich an diesem Dienstag ein. Warum? Vor einem guten Monat schrieb ich einen Kommentar mit dem Titel: «Bitter, aber keine Tragödie.» Es ging dabei um das Olympia-Aus Marlen Reussers. Ich berief mich auf die Tatsache, dass Reusser viel mehr als nur eine bärenstarke Velofahrerin ist – ihr Horizont geht weit über Zahnkränze, Schaltsysteme und Felgenbreiten hinaus. Meinen Text beendete ich mit folgenden Worten: «Und schliesslich wartet Ende September die Heim-WM in der Schweiz. Das Regenbogentrikot würde ihr besonders gut stehen.»
Meine Einschätzung vom Mitte Juli muss ich heute, da Reussers WM-Aus besiegelt ist, überarbeiten. Denn diesmal ist das, was Reusser widerfährt, tatsächlich eine Tragödie – zumindest aus sportlicher Sicht. Alles hatte sie unternommen, um in Paris und Zürich um die Goldmedaille zu kämpfen. Olympia und Heim-WM: Für eine Velofahrerin gibt es nichts Grösseres.
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Ob Reusser gewonnen hätte? Das ist nicht sicher. Im Normalfall wäre ihr Name auf den Listen den Top-Favoritinnen allerdings weit oben gestanden. Dass Reusser nicht einmal die Gelegenheit hatte und haben wird, sich mit den weltbesten Athletinnen zu messen, macht das Ganze brutal.
Auch für die WM-Organisatoren ist ihr Out mehr als nur ein Stimmungskiller, schliesslich war Reusser auch wegen ihrer Persönlichkeit ein Zugpferd des Anlasses. Nach Olympia mit vielen Diplomen, aber nur einer Medaille (durch BMX-Fahrerin Zoé Claessens), muss sich nun auch Swiss Cycling erst einmal schütteln. Bleibt zu hoffen, dass andere die Kohlen aus dem Feuer holen werden.