Sie sind nur noch Roboter! Diesen Vorwurf hört man im Rad-Zirkus immer wieder. Und tatsächlich trauen sich viele Velo-Profis gar nicht mehr, selbst Entscheidungen zu treffen.
Angreifen, nachfahren, still halten – es sind fast immer die Sportlichen Leiter in den Autos hinter dem Peloton, die den Takt angeben. Sie sehen schliesslich im TV, was gerade passiert und haben zudem den offiziellen Funk, der sie über alle anderen Geschehnisse informiert.
Bei den WM-Strassenrennen ist das anders. Hier haben die Helfer der Landstrasse keinen Knopf im Ohr – so lautet die Regel des Weltverbandes UCI. Einige ärgern sich darüber, andere freut es. Jan Christen (20) sagt: «Es ist, wie es ist. Also zerbreche ich mir auch nicht den Kopf darüber.»
Muss er auch nicht. Das Velo-Talent aus Leuggern AG hat ein exzellentes, erstes Profi-Jahr hinter sich. Dabei holte er drei Siege und zuletzt WM-Bronze im U23-Zeitfahren. «Im Gegensatz zu den meisten habe ich bereits etwas in der Tasche und kann befreit drauflosfahren», blickt der Fahrer von UAE Emirates auf das U23-Strassenrennen voraus.
«Wir können in Zürich Cooles zeigen»
Tatsächlich gilt Christen als einer der Top-Favoriten auf Gold. Nicht nur, aber auch, weil er einen besonderen Trumpf an seiner Seite weiss: Bruder Fabio (22). «Jan und ich kennen uns in- und auswendig. Dies hilft natürlich, zwischen uns gibt es keine Geheimnisse», sagt der Profi von Q36.5.
Zwar ist er weniger erfolgreich als sein jüngerer Bruder, das macht ihm aber nichts aus. «Im Gegenteil, ich freue mich für ihn. Und weil meine Form ebenfalls sehr gut ist, bin ich überzeugt, dass wir in Zürich etwas Cooles zeigen können.»
Auch Grossvater und Eltern waren top
Jan als Leader, Fabio als Co-Leader: Das tönt vielversprechend. «Wir verstehen uns blind. Da reicht ein Kopfnicken oder ein kurzes Wort und schon weiss der andere, was gemeint ist. Weil es bei der WM keinen Funk gibt, ist dies doppelt wertvoll», sagt Jan. Sollten ihm alle ausländischen Top-Shots auf dem Gepäckträger sitzen, könnte Fabios grosse Stunde schlagen. Einen guten Renninstinkt zeichnet beide aus.
Ob Jan oder Fabio: Sollte einer der Christens eine Medaille holen, würden sie dem Rad-Palmarès der ganzen Familie ein weiteres Highlight hinzufügen. Bereits ihr Grossvater fuhr bei der Tour de France und auch die Eltern waren Profis. «Wir werden alles dafür tun», so Fabio.