Welche Erinnerungen haben Sie an Lance Armstrong? Vielleicht sind es die sieben Tour-de-France-Siege (1999-2005), die Ihnen durch den Kopf gehen. Vielleicht denken Sie an seine Krebserkrankung, die ihn fast das Leben kostete. Oder es ist das legendäre Interview mit Talk-Star Oprah Winfrey im Jahr 2013, das haften blieb – damals gestand Armstrong, jahrelang systematisch gedopt und gelogen zu haben. «Armstrong verdient es, vergessen zu werden», sagte UCI-Präsident Pat McQuaid kurz darauf.
Armstrongs wichtigste Erfolge wurden längst aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Aber ihn vergessen? Nein, das ist nicht möglich. Zu sehr prägte er den Sport. Zu stark schockierte er die Welt. Zu dominant und zielstrebig war er auf dem Rad, aber auch zu heuchlerisch und skrupellos daneben. Heute Samstag wird Armstrong 50 Jahre alt. Viele gibt es nicht mehr, die ihm Happy Birthday sagen – in der Radszene schon gar nicht.
«Ich würde nichts anderes machen»
Ob ihn das stört? Kaum. Armstrong wirkt wie eh und je selbstsicher. Immerhin gestand er im Sommer im Gespräch mit der Unternehmerin Molly Bloom ein: «Ich bin jetzt 50 Jahre alt. Und 49 Jahre lang dachte ich, nur Weicheier geben auf.» Dann habe er «Aufgeben» bei Google eingetippt. «Und da stand nichts von Weicheiern, sondern dass es darum geht, auf ein anderes Erfahrungslevel zu kommen.»
Wer nun meint, den Texaner plage ein schlechtes Gewissen, weil er vor zwei Jahrzehnten die gesamte Sportwelt in die Irre führte, täuscht sich aber wohl. Bereits bei seinem Geständnis sagte er: «Wir haben getan, was wir tun mussten, um zu gewinnen. Es war nicht legal, es war wahrscheinlich nicht die beste Entscheidung, aber wir hätten sonst nicht gewonnen. Ich würde nichts anderes machen, das habe ich schon dreimal gesagt, ich würde nicht eine Sache anders machen.»
Diese Aussage schockierte. US Postal, Armstrongs einstiger Sponsor, verklagte ihn. Andere folgten. Doch Armstrong – oder seine Anwälte – hatten einen langen Atem. Von den einst geschätzten 120 Millionen Franken soll er immerhin noch deren 50 übrig haben.
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Von der Hölle in den Himmel und zurück
Armstrong hat fünf Kindern aus verschiedenen Beziehungen. Er überlebte mit 25 Jahren den Hodenkrebs, obwohl die Ärzte hoffnungslos waren. Er war der erfolgreichste Radfahrer aller Zeiten und die Personifizierung dafür, dass es sich lohnt, zu kämpfen – immer und überall, nicht nur im Sport.
Doch der Held von einst fiel tief. Heute betreibt Armstrong den Podcast «The Move», bei dem er über Radsport und andere Ausdauersportarten spricht. Zurück blickt er dabei nicht mehr – es ist wohl besser so.