Bronze, Silber und Gold: Nino Schurter (37) holte an Olympischen Spielen einen ganzen Medaillensatz. Der Bündner Mountainbike-Star zählt damit zu den erfolgreichsten Olympioniken der Schweizer Sportgeschichte. Und er hat noch nicht genug. «Klar, ich würde in Paris nur allzu gern eine vierte Medaille holen», sagt er. Als aktueller Gesamtweltcupsieger würde er mit grosser Wahrscheinlichkeit zu den Top-Favoriten auf den Sieg zählen. Aber: Darf Schurter überhaupt nach Paris?
Zugegeben, diese Frage tönt verrückt. Denn: Schurter ist nicht nur zehnfacher Weltmeister und holte 2016 in Rio (Br) Olympia-Gold. In der letzten Saison stand er in fünf von acht Rennen auf dem Podest, zweimal gewann er. Trotzdem ist die Frage, ob die Mountainbike-Legende an seine fünften Sommerspiele reisen darf, legitim. Zuletzt erlebte er in Mairiporã (Br) einen Saisonstart, der einem Albtraum glich. «Ein Scheisstag», wie er es formuliert.
Eine Tragödie traf ihn hart
Was war passiert? Erstens: Er litt an den Folgen einer Augeninfektion («Meine Tochter Lisa hat mich wohl angesteckt»). Zweitens: Er stürzte im Rennen am Sonntag und landete auf dem 35. Platz.
Vor allem aber: Wenige Stunden vor dem Start verunglückte sein Ex-Physiotherapeut und langjähriger Weggefährte Frank Holfeld bei einer Bergtour im Unterengadin tödlich. «Ich kenne seine Kinder gut, sie haben sogar eine Zeit lang bei mir gewohnt, als einer der Söhne in Chur im Spital war. Es ist tragisch», so Schurter.
«So habe ich in Paris nichts verloren»
Gewiss: Erst ein Rennen ist gefahren. Und doch steht Schurter bereits unter Druck. Ende Mai wird Swiss-Cycling das Olympia-Aufgebot für Paris bekannt geben – lediglich ein Duo darf selektioniert werden. Zwei Chancen hat Schurter, um Pro-Argumente zu sammeln – die erste in Araxá (Br).
«Wenn ich so drauf bin wie zuletzt, habe ich in Paris nichts verloren», sagt er pragmatisch. Gleichzeitig weiss er, warum es nicht lief. «So ein Infekt vor einem Rennen zu haben, ist nie vorteilhaft. Ich hatte keine Energie. Nun fühle ich mich schon deutlich besser.»
Junger Tessiner macht Druck
Schurters Konkurrenten um ein Paris-Ticket scharren derweil mit den Hufen. Mathias Flückiger wurde zuletzt zwar auch nur 21., sein Potenzial ist aber unbestritten. «Es gilt, viel zu verbessern», weiss auch der Berner. Und dann ist da noch Schurters Teamkollege bei Scott SRAM, Filippo Colombo (26) – der Tessiner glänzte in Brasilien mit Rang 3. «Meine Chancen für eine Selektion sind jetzt viel grösser», so Colombo. Nach einem komplizierten Ellbogenbruch bei Paris-Roubaix ist er endlich wieder auf dem Damm.
«Ich freue mich für Filippo», so Schurter. «Und um die Olympia-Quali mache ich mir keine Sorgen – wenn es reicht, dann reicht es. Und sonst halt nicht.»