Rad-Ass verliert Gold auf dem letzten Strecken-Abschnitt
Silber-Frust für Küng

Stefan Küng (28) zeigt lange das beste Zeitfahren seines Lebens. Bloss: Im Ziel ist er nur noch Zweiter. Wie konnte das passieren?
Publiziert: 18.09.2022 um 09:04 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2022 um 13:31 Uhr
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Stefan Küng verpasst WM-Gold im Zeitfahren um 2,9 Sekunden.
Foto: freshfocus

Das darf doch nicht wahr sein! Stefan Küng (30) ist bei der WM in Australien drauf und dran, seinen Gold-Traum zu erfüllen. Nach drei Vierteln des Zeitfahrens liegt er zuvorderst, hat 12 Sekunden Vorsprung auf den Zweiten. «Bring en hei!», rufen wohl viele Rad-Fans mit dem Kaffee in der Hand zu Hause in der Schweiz – ganz in Anlehnung an Baschi.

Doch es klappt nicht. Küng fällt auf den letzten 10 Kilometern zurück, am Ende hat er drei Sekunden Rückstand. Statt in das begehrte Regenbogentrikot des Weltmeisters eingekleidet zu werden, muss er mit Platz 2 Vorlieb nehmen. Bitterer schmeckte Silber noch nie! «Klar, ich bin etwas frustriert. Es fühlt sich nicht so an, als hätte ich Silber gewonnen, sondern Gold verloren. Diese Nacht werde ich nicht gut schlafen», so Küng.

Norweger Foss schafft Sensation

Wer Küng die Suppe versalzt? Tobias Foss, ein 25-jähriger Norweger. Sein Sieg ist eine kleine Sensation. «Ich wäre mit einem Top-10-Platz zufrieden gewesen», so Foss. Er sei kein Mensch, der besonders viel Selbstvertrauen habe. Deshalb habe er bis zum Schluss nicht geglaubt, dass es reichen würde. «Es ist wie ein Traum, ich kann nicht glauben, was gerade geschehen ist.»

Erträglicher macht Foss’ Sieg die Situation für Küng nicht. Im Gegenteil. Am Tag, an dem er die auf dem Papier Besten der Besten (Ganna, Evenepoel, Pogacar und Bissegger) schlägt, ist ein Aussenseiter schneller. «Ich hatte ihn nicht auf der Rechnung», gibt der Thurgauer zu.

Welche Rolle spielte der Wind?

Tatsächlich wirkt in Wollongong lange unwiderstehlich: Am Start entschlossen, auf den (wenigen) Geraden konzentriert und in den (vielen) Kurven mutig und technisch sauber. Es scheint, als sei dies sein grosser Tag. Ob ihm der an der Küste böige Wind den Sieg kostete? Vielleicht. Anderseits verliert Küng in diesem Teilstück nicht nur 14 Sekunden auf Foss, er fährt auch nur die fünftbeste Zeit. «Der Wind brach in der zweiten Runde komplett ein. Ich habe alles riskiert und muss mich nichts vorwerfen. Aber heute dachte ich, dass ich es schaffen würde», so Küng enttäuscht.

Was bleibt? Einerseits die Erkenntnis, dass Küng an Titelspielen nach wie vor Gold fehlt. Und Fabian Cancellara weiterhin der letzte Schweizer Rad-Weltmeister bleibt – er gewann 2011 Gold. Küng als ewigen Zweiten abstempeln, wäre indes falsch. Die Top-3-Statistik seiner Profi-Karriere im Zeitfahren liest sich wie folgt: 8 Mal Erster, 10 Mal Zweiter und 5 Mal Dritter. Ein Trost ist dies in diesem Moment trotzdem nicht.

UCI-Regel ist blödsinnig

Zweitbester Schweizer in Down Under wird Stefan Bissegger als Fünter. Bei der ersten Zwischenzeit ist er nur 15. mit 24 Sekunden Rückstand. Was ist passiert? «Ich musste viel früher als die anderen Favoriten, da war der Gegenwind stärker», sagt er. Tatsächlich teilt die UCI die Fahrer gleicher Nationen in verschiedene Startblöcke auf, dazwischen gibt es Pausen. Das ist nur etwas: blödsinnig, weil unfair.

«Für den Titel hätte es aber sowieso nicht gereicht», sagt Bissegger. Im Ziel fehlen ihm 38 Sekunden auf den Bronze-Platz von Vuelta-Sieger Remco Evenepoel.

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