Unsere Reporter in Tokio
So knallhart ist das olympische Vorspiel

Schon vor der Eröffnungsfeier ist klar: 2021 gibts eine neue Olympische Disziplin – Schlange stehen und warten. Blick hat sich bei der Einreise nach Japan erfolgreich darin versucht.
Publiziert: 20.07.2021 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2021 um 20:02 Uhr
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Geduld ist gefragt in Tokio.
Foto: Emanuel Gisi
Emanuel Gisi

Wer in diesen Tagen als Journalist nach Tokio reist, braucht Geduld, am besten Wagenladungen davon. Mit dem rund zwölfstündigen Flug ist nämlich mal der Aufgalopp vollbracht. Mehr aber noch nicht.

Danach geht der Spass so richtig los. Erste Olympische Disziplin: Schlange stehen in Extremversion. Immer mit Maske, Abstandhalten dagegen schwierig. Wer nach dem Aussteigen aus dem Flieger zur Passkontrolle will, muss sich auf ein Schneckentempo gefasst machen. Inoffizielle Blick-Messungen ergeben einen Speed von 90 Minuten für die ersten 100 Meter auf japanischem Boden. Das sind umgerechnet 0,06 km/h. In einem Schneckenrennen wäre man damit auf Gold-Kurs: Die durchschnittliche Weinbergschnecke ist mit 0,003 km/h unterwegs, also mit drei Metern pro Stunde. Ein erstes kleines Erfolgserlebnis in der Olympia-Stadt!

Die Athleten sind ein bisschen schneller

Glücklich darf sich schätzen, wer als Athlet anreist. Die brasilianischen Leichtathleten, in der Schlange gerade eben noch zwischen Journalisten und den Vertretern tieferer Verbandschargen eingepfercht, werden von den fleissigen Helfern herausgezogen und per Schnellverfahren an den Gesundheitscheckpoint gerufen. Später watet eine Delegation der US-Surfer durch das Meer der Wartenden, begleitet von unverholen neidischen Blicken.

Am Ende der Schlange der nächste Höhepunkt: der Gesundheitscheckpoint. Hier kann es schon mal heikel werden. So gibt es die Geschichte eines Schweizer Journalisten, dessen PCR-Test in einer den japanischen Beamten nicht genehmen Form verfasst gewesen sein soll. Was tut man in so einem Fall, wenn die mit «Quarantine» angeschriebenen Flughafenbeamten ein bisschen nervös werden? Der entscheidende Hinweis kommt von einer Offiziellen: Einen Kollegen in der Schweiz bitten, das entsprechende Formular herunterzuladen und auszufüllen. «Das muss keine medizinische Fachperson sein, wir brauchen einfach ein Schreiben aus der Schweiz.» Tatsächlich funktioniert das.

«Wir haben täglich solche Fälle»

Ein Glück, schliesslich soll ein kanadischer Journalist schon auf den Stühlen vor dem Checkpoint übernachtet haben, weil er auf sein Formular warten musste. «Wir haben täglich eine Reihe solcher Fälle», sagt die Offizielle. «Eine reine bürokratische Hürde. Die meisten Tests, die hier vorgewiesen, sind einwandfrei. Aber wenn die Form nicht stimmt, kann es Ärger geben. Es sind schon Leute weinend zusammengebrochen.»

Diesmal weint niemand, irgendwann gehts weiter zum Speicheltest. Danach: Wieder zwei Stunden warten, bis das negative Ergebnis da ist. Dann ist es soweit: Insgesamt sieben Stunden nach der Landung ist der Weg frei – für die anderthalbstündige Fahrt in die Olympia-Unterkunft.

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