Das deutsche Team hat sich dazu entschlossen, Bundestrainerin Kim Raisner aus dem Turnier zu nehmen. Das, nachdem die Deutsche beim modernen Fünfkampf am Freitag live im TV für einen Skandal gesorgt hatte.
«Hau mal richtig drauf! Hau drauf!». Das die Worte, die im Fernsehen deutlich hörbar waren. Nun zieht das deutsche Olympia-Team Konsequenzen. Um «keine weiteren Fragezeichen» rund um die Trainerin aufkommen zu lassen, werden Kim Raisner sämtliche Aufgaben in Tokio entzogen. So werde sie beim Männer-Wettbewerb am Samstag «weder am Parcours noch am Abreiteplatz eine Funktion» haben, heisst es an einer Pressekonferenz.
Dramatische Szenen in Tokio
Annika Schleus Verzweiflung wuchs mit jeder Sekunde. Sie weinte, sie schlug nach dem skandalösen Zuruf von Bundestrainerin Kim Raisner («Hau drauf, hau richtig drauf!») mit der Gerte, sie rammte dem Pferd die Sporen in die Seite, doch nichts brachte die panisch wirkende Athletin und den völlig verunsicherten Saint Boy noch in Einklang.
Raisner stand im Gespräch mit dem SID zu ihrer Aussage. «Ich hab gesagt, hau drauf. Aber sie hat das Pferd nicht gequält, in keinster Weise», sagte die Bundestrainerin: «Dass man mal mit der Gerte hinten draufhaut, ist jetzt keine Quälerei. Sie hat dem Pferd nicht im Maul gerissen. Sie hatte keine scharfen Sporen dran. Pferde quälen sieht anders aus.»
Statt Jubel herrschte bei den deutschen Fünfkämpfern kollektives Entsetzen. «Warum mein Pferd so verunsichert war, weiss ich nicht», sagte Schleu, die beim Olympiasieg der Britin Kate French letztlich nur den 31. Platz belegte.
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Wütende Kommentare aus der Heimat
Schleus Augen waren noch lange nach dem abschliessenden Laser-Run gerötet und feucht. Auch die vielen tröstenden Umarmungen der Rivalinnen halfen kaum – schliesslich hatten Schleu auch wütende Kommentare aus der Heimat erreicht. «Es ist tragisch», sagte die grenzenlos enttäuschte Schleu: «Ich werde wohl eine Weile brauchen, um darüber hinwegzukommen.»
Als Führende war Schleu in die dritte Teildisziplin Reiten gestartet. Auf dem ihr zugelosten Saint Boy hatte zuvor schon die ROC-Athletin Gulnas Gubaidullina mit drei Verweigerungen grosse Probleme gehabt. Damit Schleu ein Ersatzpferd hätte wählen können, wären vier nötig gewesen.
Schleu hielt Rücksprache mit einem Veterinär und holte sich Tipps von der Besitzerin ein. Auf dem Abreiteplatz habe man sich «sehr gut verstanden», erklärte die 31-Jährige: «Es gab keinen Fehler.» Noch bevor die Sportsoldatin aber auf den Parcours reiten konnte, blockte das Tier ab. «Ich war kurz davor, abzugrüssen, bevor es losging, weil ich gemerkt habe, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmt», sagte Schleu.
Deutsche Fünfkämpfer gelten «als sehr einfühlsame Reiter»
Stattdessen gingen Bilder um die Welt, die kein gutes Licht auf den Modernen Fünfkampf warfen. Raisners indiskutable Zurufe wurden in den Sozialen Medien zerrissen, Schleu erreichten schon beim Umziehen für den Laser-Run «diverse Hassnachrichten».
Die Berlinerin war um Klarstellung bemüht. Eigentlich würden die deutschen Fünfkämpfer «als sehr einfühlsame Reiter» gelten. «Es bricht uns das Herz, dass wir es nicht zeigen können», sagte Schleu: «Ich denke, die Leute können es einfach nicht richtig einschätzen.» (SID)
Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.
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