Ist es heiss und staubig, ist er der Stärkste. Ist es kalt und schlammig, ebenfalls. Mathias Flückiger (32) ist auf dem Mountainbike nicht zu schlagen. Er gewann die vier letzten Weltcuprennen – teils in überragender Manier. Und so sagt er: «Wenn ich in Tokio nichts falsch mache oder nicht Pech habe, hole ich Gold. Der Olympiasieg geht im Normalfall über mich, ich bin der Beste.»
Nun könnte man diese Aussage als abgehoben bezeichnen. Aber ist sie dies angesichts seines Triumphzugs wirklich? Sicher ist: Flückigers Worte sind alles andere als typisch schweizerisch. «Mit dem Druck, den ich dadurch erzeuge, kann ich gut umgehen. Ich habe mehr als zehn Jahre hart geschuftet, wurde belächelt und bemitleidet. Jetzt ernte ich die Früchte meiner Arbeit.»
Flückiger wollte Eishockey-Profi werden
Flückiger ist vielleicht der grösste Schweizer Gold-Trumpf in Japan. Aber: Wer ist dieser 32-jährige Oberaargauer überhaupt? Es gibt nicht wenige, die sich genau das fragen. Wir treffen Flückiger auf einem Trail oberhalb der Corviglia in St. Moritz GR. Es ist einer der letzten freien Tage, die ihm vor dem Abflug bleiben. Flückiger hätte also guten Grund, um abzusagen. Doch das kommt für ihn nicht infrage. «Erstens kann ich nicht immer trainieren. Und zweitens wird mir langweilig, wenn ich nichts mache. Ich war schon als Kind ein Zappelphilipp und bin es auch heute noch. Schön, dass ihr da seid», entgegnet er.
Man merkt sofort: Flückiger ist gut drauf – auch neben dem Bike. Er berichtet von seiner Kindheit. «Ich wollte Eishockey-Profi werden, aber mein Vater meinte, das sei zu teuer. Weil mir der Schulweg mit dem Rad ebenfalls gefiel – es gab eine coole Abfahrt –, fuhr ich fortan einfach Velo.» Schon bald im Veloklub, musste der kleine Mathias bei den Quer- und Mountainbike-Rennen aber stets unten durch. «Ich war physisch völlig unterlegen», erinnert er sich.
Flückiger litt unter Schurters Dominanz
Schon bald hätten ihm einige geraten, es mit dem Radsport sein zu lassen – auch weil seine Lehre als Baumaschinenmechaniker sehr fordernd war. Diese Stimmen verstummten 2010, als Flückiger Schweizer-, Europa- und Weltmeister der U23 wurde. War er etwa doch ein Supertalent?
Sicher ist: In den folgenden zehn Jahren fuhr Flückiger zwar oft gut, blieb aber stets im Schatten von Superstar Nino Schurter (35). «Darunter habe ich schon gelitten», gibt Flückiger zu. Als er im Training kopfvoran in ein falsch parkiertes Auto donnerte, dachte er gar an Rücktritt. «Ich erlitt eine Hirnerschütterung. Ein echter Tiefpunkt. Doch irgendwie raffte ich mich auf», so Flückiger.
Und was, wenn er scheitert?
Und heute? Da ist Flückiger neben Hollands Rad-Genie Mathieu van der Poel (26) der grösste Anwärter auf Olympia-Gold. «Ich habe zehn Jahre Energie gesammelt – jetzt kommt alles raus», sagt Flückiger. Doch was ist, wenn er in Tokio scheitern sollte? «Dann versuche ich es 2024 wieder. Und weil 2026 die WM ist, kann ich auch gleich bis 2028 weitermachen», sagt er lachend. Dann wäre Flückiger 39 Jahre alt. Aber was heisst das schon bei ihm.
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Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.
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