Die Tränen der Freude sind getrocknet, doch die Erinnerungen bleiben bestehen. Gold, Silber und Bronze holen die Schweizer Mountainbike-Frauen in Tokio. Ein gesamtes Schweizer Olympia-Podest? Gab es seit 1924 nicht mehr. Zuoberst steht Jolanda Neff, die St. Gallerin. «Ich hoffe, es ist nicht nur ein Traum», sagt sie. Ist es nicht. Und auch bei den Männern holt Mathias Flückiger eine Medaille – Silber.
Was bleibt, ist die erfreuliche Tatsache: Die Schweiz ist die Mountainbike-Nation schlechthin. Von ungefähr kommt das nicht. Thomas Frischknecht (51), der grösste Pionier dieses Sports, erinnert sich: «Als ich in den 90er-Jahren loslegte, war die Akzeptanz fürs Mountainbiken in der Bevölkerung längst nicht so gross wie heute. Viele Jäger und Wanderer fühlten sich bedroht, sie wollten ihr Gärtchen hüten.» Nach und nach kam es zu einem Sinneswandel. Der Anstoss des Ganzen: Frischknechts Olympia-Silber im Cross Country in Atlanta 1996. Auf einmal galt Mountainbiken als cool.
Nicht einfach Rad-Rowdys
Heute gehören die Biker fast schon zum Schweizer Landschaftsbild. Frischknecht: «Ab 2004 begannen verschiedene Tourismusdestinationen, spezifische Angebote zu kreieren – vor allem im Bündnerland. Man entdeckte, dass es für viele ein grosser Wunsch war, über Stock, Stein und Trails zu fahren. Mountainbiken gehört mittlerweile zu den beliebtesten Sommersportarten in den Bergen. Man hat gemerkt, dass da nicht einfach Rad-Rowdys unterwegs sind, sondern Menschen, die Freude an der Bewegung und der Natur haben. Die gegenseitige Toleranz ist viel grösser als früher.»
Alles in Butter also? Nicht ganz. Frischknecht findet, dass die Mountainbike-Lobby in der Politik schwach vertreten ist. «Swiss Cycling leistet hervorragende Arbeit in der Athletenförderung und im Spitzensport. Meiner Meinung nach könnte man sich aber noch mehr bemühen, den Breitensport zu fördern. Da fehlt es an Lobby-Arbeit.»
Vor allem im Flachland gebe es betreffend Infrastruktur Nachholbedarf, ist Frischknecht überzeugt. «Wenn jemand im Unterland biken möchte, kommt er oft in Konflikt mit Waldbesitzern und Förstern.» Aber warum eigentlich? Frischknecht: «In der Gesetzgebung heisst es, dass Biker nur auf befestigten Wegen unterwegs sein dürfen. Aber das ist ein Graubereich –längst nicht immer ist klar, was befestigt ist und was nicht.»
«Wir könnten noch mehr bieten»
Frischknecht freut sich über die Erfolge der Schweizer Athleten, die beste Werbung für den Mountainbike-Sport machen. Aber man dürfe sich nicht blenden lassen. «In den USA gehört Mountainbiken zum Schulsport. Bei uns ist das anders. Wir haben viel Nachwuchs, könnten ihm aber noch mehr bieten.»
Eine breite Basis sei letztlich der Grundstein für künftige weitere Erfolge, ist Frischknecht überzeugt. «Dass es letztlich nur wenige bis an die Olympischen Spiele schaffen, ist klar. Aber es geht doch letztlich um viel mehr. Das Biken fasziniert Jung und Alt. Ich bin das beste Beispiel dafür.»