Tokio ist am Boden. Die Olympischen Spiele müssen aufgrund des Coronavirus verschoben werden. Wieder trifft es die japanische Hauptstadt. Die Absage reisst eine alte Wunde auf.
Denn Tokio war schon einmal in dieser Situation. Kido Koichi verkündete als Wohlfahrtsminister am 16. Juli 1938, dass die Spiele nicht stattfinden können. Grund war der Krieg zwischen Japan und China, der dem 2. Weltkrieg vorausging. Statt des Olympischen Feuers beherrschte Gewalt die japanische Hauptstadt.
«Wenn irgendwann einmal wieder Frieden in Fernost herrscht, können wir die Spiele zu uns einladen und der Welt den wahren japanischen Geist beweisen», sagte Koichi damals.
Spiele im Zeichen der Versöhnung
Es sollte 24 Jahre dauern, bis die Spiele nach Japan zurückkehrten. Zu tief waren die Wunden nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg. Japan, das schwere Atomwaffenschläge hinnehmen musste, war zerstört. Im Weltsport spielte die Nation keine Rolle mehr. Die Spiele, die dann 1964 stattfanden, waren Zeichen der Versöhnung und Wiederauferstehung.
Bei der Absage 1938 stand die Welt am Abgrund. Japan hatte die Sommer- (Tokio) und die Winterspiele (Sapporo) 1940 unter viel Protest erhalten. Die Nation war ein ideologischer Bruderstatt von Nazi-Deutschland und von Mussolinis Italien. Nach Berlin 1936 sollten die nächsten Propaganda-Spiele folgen.
Tokio setzte sich in der Wahl knapp gegen Helsinki durch mit 36:27 Stimmen und man versprach sich in Japan von den Spielen eine versöhnende Wirkung. Zwei Jahre lang wurden die Vorbereitungen vorangetrieben. Es hagelte internationale Proteste und Boykott-Drohungen. Doch das Aus der Spiele kam dann durch die Japaner aus freien Stücken – und besonders aus finanziellen Gründen. Es war wichtiger, im Krieg gegen China aufzurüsten.
Eine ganz andere Welt
Statt den Spielen in Japan, es wären die ersten ausserhalb Europa oder den USA gewesen, hätten zunächst Garmisch-Partenkirchen (Winter) und Helsinki (Sommer) einspringen sollen. Doch der Ausbruch des zweiten Weltkriegs verhinderte beides. Erst 1948 in St. Moritz (Winter) und London (Sommer) sollten wieder Spiele stattfinden.
Parallelen zur Absage 1940 lassen sich kaum ziehen. Die Welt war damals eine ganz andere.
Doch die jetzigen Spiele hätten sich mit jenen 1964 vergleichen lassen. Wie damals wollte Japan auch zeigen, dass es sich wieder aufgerappelt hat. Nach der Atom-Katastrophe von Fukushima 2011 wollte man sich wieder als wirtschaftlich gesund, als selbstbewusst und stark präsentieren. Die Absage trifft das Land der aufgehenden Sonne darum stark. Doch im Vergleich zur Situation vor 80 Jahren ist es verschmerzbar. (sme/sid)
Das Coronavirus legt den Sport immer mehr lahm: Wichtige Events und Matches werden abgesagt, verschoben oder finden als Geisterspiele statt. Im Absagen-Ticker bleiben Sie über die neuesten Entwicklungen in der Sportwelt auf dem Laufenden: Welche Ligen sind betroffen? Welche Spiele und Rennen finden (nicht) statt?
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