Sportkoryphäe Magyar kritisiert Schweizer Olympia-Pläne
«Das Olympia-Projekt für 2030 ist eine Mogelpackung»

Patrick Magyar sammelte in seiner Funktionärslaufbahn viele Erfahrungen mit Verbänden und Grossveranstaltungen. Er hinterfragt den Traum von Winterspielen in der Schweiz 2030 und sieht vier Kernprobleme. Am Freitag stimmt das Sportparlament ab.
Publiziert: 24.11.2023 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2023 um 08:59 Uhr
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Am Freitag entscheidet das Sportparlament im Haus des Sports in Ittigen BE, ob die Schweiz bei der Bewerbung für Olympische Winterspiele die nächste Stufe zündet.
Foto: imago images/Sammy Minkoff
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Er ist vielleicht der Schweizer mit der grössten Erfahrung überhaupt, wenns um grosse Kisten im helvetischen Sport geht. Patrick Magyar (60) war jahrelang Direktor von Weltklasse Zürich, er war Boss der Leichtathletik-EM 2014, Präsident von Swiss Athletics, arbeitete bei der Fifa als CEO im Marketing, war beim America’s Cup Generaldirektor der Segler von Alinghi.

Doch wenns um die erträumte Riesenkiste im Schweizer Sport geht, hat Magyar Vorbehalte. Die geplanten Olympischen Winterspiele 2030 sieht er kritisch. Er sagt: «Wer ein Befürworter des Schweizer Sports ist, kann nicht für die Durchführung von Olympia 2030 sein!»

Das Budget bezeichnet Magyar als Augenwischerei

Magyar begründet seine These mit vier Kernpunkten. Der erste: «Die Kosten-Nutzen-Bilanz für den Sport ist sehr schlecht.» Der frühere Leichtathletik-Macher hält das in der Swiss-Olympic-Machbarkeitsstudie genannte Budget von 1,5 Milliarden Franken für Geld, das am falschen Ort eingesetzt wird. «Für dieses Geld liessen sich 50 Veranstaltungen wie eine Leichtathletik-EM durchführen. Die Auswirkungen von 50 kleineren Events wären für den Schweizer Sport viel nachhaltiger.» Dass 2030 bestehende Infrastruktur genutzt werde, sei eine gute Sache. «Doch es ist unklar, was und wo dann doch nachgerüstet werden muss.»

Zudem hält Magyar die 1,5 Milliarden für Augenwischerei, er nennt es «das optimistischste Olympia-Budget aller Zeiten». Nur schon die Sicherheitskosten würden zusätzliche 400 bis 500 Millionen Franken betragen.

Was bei Olympia-Out? Dann kommen 2030 die European Championships

Diesen Freitag entscheidet das Sportparlament im Haus des Sports in Ittigen BE, ob die Schweiz in Sachen Bewerbung für Olympische Winterspiele die nächste Stufe zündet. Viel Opposition gegen die Pläne ist nicht zu erwarten, die Gespräche mit dem IOC werden wohl bald intensiviert werden.

Aber dennoch: Bei der Vergabe im nächsten Sommer kann die Schweiz im Kampf um Winterspiele einmal mehr unterliegen. Die Gegenkandidaten sind Frankreich und Schweden. Formal gehört auch Salt Lake City zu den Anwärtern, weil die Spiele 2030 und 2034 zeitgleich vergeben werden. Doch der Zuschlag für die Amerikaner für 2034 gilt bereits als sicher.

Auch die FIS-Games für 2028 stehen zur Debatte

Was also, wenn die Schweiz nicht zum Zug kommt? Dann sind die Chancen intakt, dass wir dennoch einen sportlichen Grossevent bekommen: Die European Championships (EC). Das ist der Multisport-Event im Sommer, der 2018 in Berlin sowie Glasgow erstmals stattfand und 2022 in München durchgeführt wurde.

Sportarten wie Leichtathletik, Rad, Mountainbike, Turnen, Beachvolleyball, Triathlon oder auch Tischtennis und Klettern führen ihre EM-Wettbewerbe unter dem Dach der European Championships durch. Eine Art Mini-Olympia. Bei Swiss Olympic gilt es als fix, dass bei einem Scheitern der Winterspiele dann auf eine EC-Durchführung gesetzt wird.

Aber auch einen grossen Wintersport-Event könnte es trotz Olympia-Out geben: St. Moritz ist neben Lillehammer Kandidat 2028 für die ersten FIS-Games, wo alle Schneesportarten für Wettbewerbe zusammenkommen. (md)

Was ganz anderes: Die European Championships sind eine europäische Mini-Olympia mit verschiedenen Sommersportarten wie Beachvolleyball (hier 2022 Brunner/Hüberli mit EM-Silber).
Getty Images

Diesen Freitag entscheidet das Sportparlament im Haus des Sports in Ittigen BE, ob die Schweiz in Sachen Bewerbung für Olympische Winterspiele die nächste Stufe zündet. Viel Opposition gegen die Pläne ist nicht zu erwarten, die Gespräche mit dem IOC werden wohl bald intensiviert werden.

Aber dennoch: Bei der Vergabe im nächsten Sommer kann die Schweiz im Kampf um Winterspiele einmal mehr unterliegen. Die Gegenkandidaten sind Frankreich und Schweden. Formal gehört auch Salt Lake City zu den Anwärtern, weil die Spiele 2030 und 2034 zeitgleich vergeben werden. Doch der Zuschlag für die Amerikaner für 2034 gilt bereits als sicher.

Auch die FIS-Games für 2028 stehen zur Debatte

Was also, wenn die Schweiz nicht zum Zug kommt? Dann sind die Chancen intakt, dass wir dennoch einen sportlichen Grossevent bekommen: Die European Championships (EC). Das ist der Multisport-Event im Sommer, der 2018 in Berlin sowie Glasgow erstmals stattfand und 2022 in München durchgeführt wurde.

Sportarten wie Leichtathletik, Rad, Mountainbike, Turnen, Beachvolleyball, Triathlon oder auch Tischtennis und Klettern führen ihre EM-Wettbewerbe unter dem Dach der European Championships durch. Eine Art Mini-Olympia. Bei Swiss Olympic gilt es als fix, dass bei einem Scheitern der Winterspiele dann auf eine EC-Durchführung gesetzt wird.

Aber auch einen grossen Wintersport-Event könnte es trotz Olympia-Out geben: St. Moritz ist neben Lillehammer Kandidat 2028 für die ersten FIS-Games, wo alle Schneesportarten für Wettbewerbe zusammenkommen. (md)

Die Machbarkeitsstudie betont, dass keine staatlichen Garantien nötig sind. Doch Magyar zitiert eine Studie der Uni Lausanne, wonach von den letzten 39 Olympischen Spielen und Fussball-Weltmeisterschaften deren 34 defizitär waren. «Es bleibt unklar, wer 2030 für Mehrkosten aufkommen würde. Da drohen viele Konkurse von KMU.» Der Schreiner, der Kassenhäuschen zimmert. Die Elektrikerin, die Leitungen legt. Die Baufirma, die einen Parkplatz asphaltiert. «Wer sichert deren Auslagen? Der Bund, die Kantone, die Gemeinden? Das muss geklärt sein», hält Magyar fest.

So kontert Swiss Olympic Magyars Kritikpunkte

Swiss Olympic nimmt hier zu den Kritikpunkten von Magyar Stellung. Zur These, dass in der Olympiageschichte die Budgets praktisch immer massiv überzogen worden seien, betont das Nationale Olympische Komitee, dass das in der Machbarkeitsstudie enthaltene Organisationsbudget von Experten sorgfältig berechnet wurde und eine Reserve von 200 Millionen Franken beinhaltet.

Zum von Magyar stark kritisierten IOC, das nach einem Zuschlag allerlei Wünsche an den Host anbringen würde und zudem ein schlechtes Image habe, hält Swiss Olympic gegenüber Blick fest, dass sich mit den neuen Vergaberichtlinien die Ausgangslage verändert habe. «Das mag für die Vergangenheit zugetroffen haben. Im bisherigen Austausch mit dem IOC wird der neue Prozess gelebt und es findet ein Dialog statt.» Bei der Infrastruktur der bestehenden Sportstätten geht Swiss Olympic davon aus, dass der hohe, schon bestehende Standard für die Spiele ausreicht.

Der Nationale Olympische Komitee ist im Gegensatz zu Magyar überzeugt, dass die knappe Zeit von der möglichen Vergabe Mitte 2024 bis zur Austragung 2030 ausreicht, nachhaltige Spiele zu organisieren. Im Gegenteil: Die Zeit sei ein Punkt, der für die Schweiz spricht.

Aufgrund der WMs und Ems, die bis 2030 stattfinden, sei kein anderes Land so gut vorbereitet. Und das nachhaltige Vermächtnis ist als wichtiger Kernpunkt im Schweizer Projekt verankert. Es gibt dazu die Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen. Ebenso ist Swiss Olympic überzeugt, dass Winterspiele dem gesamten Schweizer Sport zugute kommen. So etwa, wie die Winterspiele 1994 in Norwegen im Gesamtsport eine Aufbruchstimmung erzeugten.

Zudem schreibt Swiss Olympic: «Wir sind sicher, dass Olympische Spiele viele nachhaltige Impulse setzen können, die ihre Wirkung weit über die Grenzen des Sports entfalten.» (md)

Swiss Olympic nimmt hier zu den Kritikpunkten von Magyar Stellung. Zur These, dass in der Olympiageschichte die Budgets praktisch immer massiv überzogen worden seien, betont das Nationale Olympische Komitee, dass das in der Machbarkeitsstudie enthaltene Organisationsbudget von Experten sorgfältig berechnet wurde und eine Reserve von 200 Millionen Franken beinhaltet.

Zum von Magyar stark kritisierten IOC, das nach einem Zuschlag allerlei Wünsche an den Host anbringen würde und zudem ein schlechtes Image habe, hält Swiss Olympic gegenüber Blick fest, dass sich mit den neuen Vergaberichtlinien die Ausgangslage verändert habe. «Das mag für die Vergangenheit zugetroffen haben. Im bisherigen Austausch mit dem IOC wird der neue Prozess gelebt und es findet ein Dialog statt.» Bei der Infrastruktur der bestehenden Sportstätten geht Swiss Olympic davon aus, dass der hohe, schon bestehende Standard für die Spiele ausreicht.

Der Nationale Olympische Komitee ist im Gegensatz zu Magyar überzeugt, dass die knappe Zeit von der möglichen Vergabe Mitte 2024 bis zur Austragung 2030 ausreicht, nachhaltige Spiele zu organisieren. Im Gegenteil: Die Zeit sei ein Punkt, der für die Schweiz spricht.

Aufgrund der WMs und Ems, die bis 2030 stattfinden, sei kein anderes Land so gut vorbereitet. Und das nachhaltige Vermächtnis ist als wichtiger Kernpunkt im Schweizer Projekt verankert. Es gibt dazu die Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen. Ebenso ist Swiss Olympic überzeugt, dass Winterspiele dem gesamten Schweizer Sport zugute kommen. So etwa, wie die Winterspiele 1994 in Norwegen im Gesamtsport eine Aufbruchstimmung erzeugten.

Zudem schreibt Swiss Olympic: «Wir sind sicher, dass Olympische Spiele viele nachhaltige Impulse setzen können, die ihre Wirkung weit über die Grenzen des Sports entfalten.» (md)

Sein zweiter Kritikpunkt dreht sich um das IOC. Nach einem Zuschlag für Spiele würde sich das IOC um nationale Befindlichkeiten foutieren. «In Tokio waren 80 Prozent der Bevölkerung gegen die Durchführung 2021, die Spiele fanden dennoch statt. Für Paris 2024 drückt das IOC die Starts von Russen durch, obwohl Frankreich dagegen ist», sagt Magyar. Das IOC sei ein teurer Koloss mit rund 1500 Angestellten, der durch sinkende TV-Einschaltquoten unter Druck sei und die Spiele 2034 aus rein finanziellen Gründen wegen des wichtigen US-Markts praktisch schon an Salt Lake City vergeben habe.

«Beim IOC vertreten nur 15 von 115 Mitgliedern den Sport»

Magyars dritter Kritikpunkt dreht sich um die Glaubwürdigkeit der Spiele. Er landet rasch wieder beim IOC um Boss Thomas Bach. Das Versprechen, sich vom Gigantismus zu verabschieden, nimmt Magyar dem IOC-Präsidenten nicht ab. «Im Vergleich zum IOC sind sie bei der Fifa Chorknaben. Nur Fünfsternehotels sind gut genug und zwischen den Wettkampfstätten gibt es sehr viele Heli-Flüge. Dabei vertreten nur 15 der 115 Mitglieder den Sport, der Rest sind Privatpersonen.» Magyar bezweifelt stark, dass Olympia in Zusammenarbeit mit dem IOC in der Schweiz für ein positives Image sorgen kann.

Dass zudem vom Bund verlangt wird, dass allfällige Nasak-Gelder (Topf für national bedeutende Sportstätten) für Olympia keinen Einfluss auf die sowieso geplanten Nasak-Projekte hätten, hält Magyar auch nicht für imagefördernd.

Kann der Wintersport Zugpferd für den Schweizer Sport sein?

Bei seinem letzten Punkt erwähnt der frühere Weltklasse-Boss die grundsätzliche Problematik des Wintersports. Dass ausgerechnet Swiss Ski das Olympia-Projekt anführt, sieht Magyar kritisch: «Die Ski-WM 2017 in St. Moritz war ein toller Event. Aber es gab keine Nachhaltigkeit für den Skisport, es existiert kein Boom. Ich bezweifle, dass die Wintersportarten auch vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung wirklich die Zugpferde für den Schweizer Gesamtsport sein können.»

Magyar hält fest, er sei nicht grundsätzlich Gegner von Spielen in der Schweiz. «Vielleicht ab 2034. Aber 2030 ist eine Mogelpackung. Die Zeit ist viel zu knapp, um wirklich nachhaltige Spiele auf die Beine zu stellen.» Ob dies das Sportparlament auch so sieht? Heute Freitag stimmt es darüber ab.

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