Mit dem Top-Ten-Ergebnis im Mehrkampf erzielt Matteo Giubellini, mit 19 Jahren der jüngste Teilnehmer im Mehrkampf-Final, ein historisches Resultat, ist es doch das beste seit der Bronzemedaille von Sepp Stalder 1952 in Helsinki.
Auf der Tribüne in der ausverkauften Halle von Bercy fiebert auch Giubellinis Familie mit. «Es war sehr emotional», sagt Vater Daniel (54). «Einerseits kamen Erinnerungen an früher hoch, andererseits ist die Anspannung, wenn die eigenen Kinder turnen, sehr gross, vor allem vor dem Startgerät.» Neben Mutter Sabine sind auch Schwester Chiara (18), auch sie Mitglied des Nati-Kaders des STV, und der jüngste Sohn Elio dabei und feuern Luca (21) und Matteo an.
Alte Erinnerungen werden wach
1992 in Barcelona war Daniel Giubellini selbst Olympia-Teilnehmer, wo ihm sogar die Ehre des Schweizer Fahnenträgers zuteilwurde. Der emotionale Höhepunkt der Karriere des Barren-Europameisters von 1990 in Lausanne. 32 Jahre später nun also die Rückkehr unter die fünf Ringe. «Als Zuschauer bekommt man viel mehr mit von der Stadt und dem ganzen Drumherum. Als Athlet ist man doch extrem abgeschirmt und auf Training und Wettkampf fokussiert.»
Dass die Kinder dereinst in die Fussstapfen des Vaters treten könnten, war schon früh ersichtlich. «Sie alle hatten einen extremen Bewegungsdrang.» Doch gerade Matteos Weg an die Spitze sei nicht ohne Hindernisse verlaufen. «Bei ihm ist der Knopf eher spät aufgegangen», sagt Daniel. «Er verlor früher, als er 11, 12 war, oft die Fassung, wenn etwas nicht klappte, weil er sich immer sehr hohe Ziele gesetzt hat.»
Turn-WG wird komplett
In Paris zeigt Matteo bei seinem ersten Grossanlass aber keine Spur von Nervosität. Trotz seines jugendlichen Alters strahlt er eine extreme Ruhe aus. «Offensichtlich kann er sehr gut mit der Anspannung umgehen. Er ist extrem fokussiert und kann im Wettkampf alles ausblenden.» Mit einer Top-Ten-Platzierung hatte auch der Vater nicht gerechnet. Die Verteidigung des 12. Platzes aus der Qualifikation wäre schon ein Erfolg gewesen. «Aber in einem Final gehen natürlich alle auf Tutti und riskieren mehr.»
Daniel Giubellini ist überzeugt, dass der Erfolg in Paris Matteo, der noch am Beginn seiner Karriere steht, in Zukunft helfen wird. «Wenn du an einem Grossanlass performt hast, gibt dir das eine gewisse Gelassenheit.» Vor allem an den Geräten, an denen Matteo noch keine allzu hohen Schwierigkeiten turnt, sieht der Vater Steigerungspotenzial. Und während Bruder Luca eher der Spezialist für Sprung, Boden und Pauschenpferd ist, sei Matteo an allen Geräten extrem ausgeglichen und «der prädestinierte Mehrkämpfer».
Nach Paris wird Matteo nach Biel ziehen und das Zimmer von Vater Daniel übernehmen, den es zurück ins Familienheim im Aargau zieht. Dann ist die Turn-WG unter der Woche mit Luca, Chiara und Matteo komplett. Klar ist: Bleiben die drei Geschwister gesund, wird der Name Giubellini im Turnsport auch in Zukunft noch für die eine oder andere Schlagzeile sorgen.