«Ein Rennen gegen die Zeit»
Mäder/Vergé-Dépré träumen noch von Olympia

Noch ist die Olympiaqualifikation nicht in der Tasche. Nach der schweren Schulterverletzung kämpft sich Joana Mäder mit Partnerin Anouk Vergé-Dépré zurück an die Weltspitze. Mit einem grossen Ziel vor Augen.
Publiziert: 29.05.2024 um 15:34 Uhr
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Die Kanareninsel Teneriffa ist für die Beachvolleyballerinnen kein Urlaubsziel. Hier feilen sie an ihrer Olympiaform.
Foto: Sergio Villalba
Nadine Gerber
Nadine Gerber
Schweizer Illustrierte

Teneriffa. Für Joana Mäder (32) und Anouk Vergé-Dépré (32) ist die Insel keine Feriendestination, sondern schon eher ein zweites Zuhause. Auf der Kanareninsel bereiten die Beachvolleyballerinnen sich auf die Saison vor. Am Strand. Unter freiem Himmel. Von einem solchen Arbeitsplatz können die meisten nur träumen. «Wir brauchen das Outdoor-Training», erzählt Anouk Vergé-Dépré. «Wir brauchen die Orientierung mit dem Himmel, das Spiel im Wind. Sonst hätten andere Nationen einen Vorteil.»

Teneriffa wählen sie, weil das Wetter hier beständig und die Insel gut erreichbar ist. Viele europäische Teams kommen hierher. «Wir trainieren oft mit ihnen», sagt Joana Mäder. Seit acht Jahren bilden die Bernerin Vergé-Dépré und die Zürcherin Mäder ein Team. Mit Erfolg. 2020 wurden sie Europameisterinnen, bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio holten sie Bronze. Dann der Schock: Bei der WM 2022 in Rom verletzte sich Joana Mäder so schwer an der Schulter, dass sie das Spiel um Rang 3 abbrechen musste. Sie fiel monatelang aus.

Operation, Reha, Physiotherapie, Hochzeit, Berufsmatur – Joana Mäder hat einen vollgepackten Terminkalender. «Es war fast anstrengender als das Training», witzelt sie. Rückblickend waren die Monate voller Ungewissheit aber schwierig. Vor allem mental. Auch für Anouk Vergé-Dépré, die nicht wusste, ob es ihre Teamkollegin zurück an die Spitze schaffen würde. «Als es dann so weit war, habe auch ich mir viel Druck gemacht, weil ich wusste, jetzt müssen wir liefern», erinnert sie sich.

Der Knopf geht erst Anfang Jahr auf. «Hier habe ich einen Riesengump gemacht», sagt Joana Mäder. «Endlich konnte ich mich aufs Volleyball konzentrieren und musste keine Angst haben, dass in der Schulter etwas nicht hält.» Und endlich macht ihr der Sport auch wieder Spass. Was noch fehlt, ist die Konstanz, sind sich beide einig. Doch Olympia ist bald. «Wir rennen gegen die Zeit», weiss Joana Mäder. «Wir können unser Spiel noch nicht stabilisieren. Das macht mich traurig. Denn jetzt müssen wir abliefern.»

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Blick+ Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Drei Schweizer Beachvolleyball-Teams kommen für Olympia infrage – lediglich zwei dürfen antreten. Ein Luxusproblem. Und eine ganz besondere Situation für Anouk Vergé-Dépré. Denn sie duelliert sich mit ihrer Schwester Zoé (26) die ebenfalls noch Chancen auf Paris hat. «Für mich ist diese Situation neu. Zoé ist sechs Jahre jünger, so gab es im Alltag bisher nie Konkurrenzsituationen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Aber mir ist auch klar: Wenn wir etwas gut machen, ist das schlecht für sie», erzählt Anouk Vergé-Dépré. «Wenn sie sich qualifiziert, hätte ich schon Mühe», gesteht sie dann. «Denn ich möchte ja selbst gehen.»

Wollen Vergé-Dépré und Mäder nach Paris, müssen sie in den noch ausstehenden Turnieren möglichst weit kommen. Konstanz zeigen. Dafür haben sie hart trainiert. Von der Schönheit Teneriffas haben sie nicht viel gesehen. Zweimal täglich Training im Sand, dreimal pro Woche im Kraftraum. Die wenige Freizeit brauchen die Spitzensportlerinnen zur Erholung. Am Strand liegen, ein Buch lesen, etwas Feines essen.

Und auch während der Saison ist freie Zeit rar. «Ich treffe gern meine Familie, meine Freunde oder mache Yoga», erzählt Anouk, deren Vater aus Guadeloupe stammt. «Ausserdem tanze ich sehr gern.» «Ich geniesse meine freie Zeit mit meinem Mann Stefan», ergänzt Joana. «Und mit anderen Menschen, die mir Energie geben. Hauptsache, wir reden dann nicht über Volleyball.» Auch eine eigene Familie können sich beide vorstellen – irgendwann, in ferner Zukunft. Anfang 2023 hat Vergé-Dépré das Management des Teams übernommen. «Ich könnte mir vorstellen, so etwas künftig auch für andere Sportlerinnen und Sportler zu tun.»

Probleme dürfen nicht ausarten

Die Teamkolleginnen mögen sich. Vor allem schätzen sie die Zielstrebigkeit der jeweils anderen. «Nicht viele hätten es wohl nach dieser Verletzung wieder auf ein solches Niveau geschafft», lobt Anouk Vergé-Dépré ihre Partnerin. «Von Anouk habe ich aber auch ein bisschen Lockerheit gelernt», ergänzt Joana Mäder lachend. «Das liegt sicher an ihrem Guadeloupe-Style.» Ihr grosses Plus sei ihre ehrliche und offene Kommunikation, sind beide überzeugt. «Wir sind beide sensible Menschen. Ein kleines Problem darf keine grössere Sache werden, sonst spüren wir das auf dem Feld.»

Jetzt gehts um den Schlussspurt in der Olympiaqualifikation. Beide wären enttäuscht, falls es nicht klappt. «Wenn ich mir überlege, woher ich komme, ist das schon bis hierhin eine grossartige Leistung», weiss Joana Mäder. Und doch: Sie wollen sich nicht einfach nur qualifizieren. «Wir wissen, wir brauchen über sieben oder acht Spiele Konstanz, um in Paris um eine Medaille zu spielen.» Und einen Exploit. Bronze haben sie schon, das kann ihnen niemand mehr nehmen. Gold und Silber aber fehlen noch.

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