Es ist Donnerstagabend, 22.07 Uhr, als wie aus dem Nichts ein kräftiger Regenschauer über dem Schweizer BMX-Trainer David Graf niedergeht. Steht der Wolkenbruch symbolisch für all die schlechten Gefühle, die nach dem Viertelfinale weggespült werden? Fakt ist: Tags darauf fahren seine Fahrer wie verwandelt – mutig, clever und mit viel Klasse. Und mit Zoé Claessens holt eine Schweizerin sogar eine Medaille!
Die 23-Jährige verdient ihren Erfolg auf der ganzen Linie. Drei Jahre, nachdem sie bei den Olympischen Spielen unter dem Druck zerbrach und im Halbfinale ausschied, holt sie zum Coup aus. «Damals war ich mir nicht gewohnt, mit den Besten der Welt zu fahren», sagte sie unlängst. Und heute? Da gelingt der Waadtländerin vor den Augen ihrer Familie die Revanche. «Ich bin so glücklich, kann es gar nicht realisieren. Die Atmosphäre war unglaublich, einfach super.»
Als Kind wollte sie nur Spass haben
Claessens zeigt auch im Finale alles, was sie kann. Sie stürzt sich die acht Meter hohe Startrampe herunter, als gäbe es kein Morgen. Nach der ersten Kurve ist sie Fünfte. Ein Problem? Nein, sie fliegt über die Sprünge und balanciert in atemberaubendem Tempo über die Bodenwellen. Rang um Rang macht sie gut. Im Ziel weiss Claessens: «Ich habe es geschafft!»
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Doch wer ist Claessens eigentlich? Rückblick. Sie wächst mit fünf Geschwistern auf, drei weitere Kinder adoptieren ihre Eltern. Mit sieben nimmt sie ihr Vater Vincent in Echichens erstmals mit auf einen BMX-Parcours. «Ich war nicht wirklich gut, mein Trainer traute mir nicht zu, es weit zu bringen. Ich hatte einfach Spass auf dem Velo, gab mir aber nicht viel Mühe», erinnert sie sich lachend.
Butti auch fast auf dem Podest
Und die anderen Schweizer? Auch Simon Marquart (27) und Cédric Butti (25) erreichen den Final. Während der Zürcher von einem Gegner abgedrängt wird, verpasst Butti Bronze um 0,102 Sekunden. Ein Wimpernschlag! «Ich bin stolz, aber es kotzt mich trotzdem an. Immerhin: Zoés Medaille ist ein Pflaster auf mein Herz», so der Thurgauer.
Vor Butti landen drei Franzosen auf dem Podest. «Die Franzosen haben vor den Spielen auf der Rennstrecke trainiert. Das ist eine Frechheit», ärgert sich der Schweizer. Vor allem finanziell seien die Franzosen im Vorteil gewesen. «Trainings auf dieser Anlage sind teuer. Andere Länder konnten sich das nicht leisten. Zudem war sie oft für die Franzosen reserviert.»
Wer nun meint, Butti sei ein schlechter Verlierer, der irrt sich. «Ich weiss nicht, ob das den Unterschied gemacht hat. Sie waren auch auf anderen Bahnen während der Saison schnell.» Und: «Die Stimmung war grossartig. Ich hatte Gänsehaut.»