Seit ein paar Tagen kursiert im Internet ein Videoclip. Er zeigt einen Läufer, der grosse Töne spuckt. «Ich bin der schnellste Mann der Welt», behauptet er. Er habe den 100-m-Weltrekord von Usain Bolt geschlagen. «Die olympischen Spiele hassen mich.» Sein Gesicht zeigt er nicht. Denn er ist gedopt.
Aron D’Souza (38) dagegen versteckt sich nicht. Der australische Unternehmer will den Begriff Doping aus dem Weltsport verschwinden lassen. Seine Idee: Die Olympischen Spiele neu zu erfinden, sie den Fängen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu entreissen, das er als gierig und korrupt bezeichnet. Und vor allem: Den Athleten und Athletinnen leistungssteigernde Mittel zu erlauben. Also: Doping zu legalisieren. «Enhanced Games» nennt D’Souza seine Idee, im Dezember 2024 soll ihre erste Austragung stattfinden.
Schweizer Ex-Olympionike unterstützt die Idee
«Heute kann jeder unter ärztlicher Aufsicht all die Substanzen nehmen, die Lance Armstrong genommen hat», sagt D’Souza dem «Spiegel». «Das ist unsere Idee: dass Athleten leistungssteigernde Mittel nur unter ärztlicher Kontrolle konsumieren – und nicht im Darknet irgendwelches Zeug bestellen, das ein Gesundheitsrisiko sein kann.» Eine Art sicheres Doping also. So wie in der Formel 1 an den Boliden geschraubt und getüftelt wird, sollen die Körper der Sportler getunt werden. «Wir wollen nur Athleten zulassen, die in einer ärztlichen Bescheinigung aufschlüsseln, welcher Arzt welche Therapie an ihnen vorgenommen hat. Und die bestätigt, dass der Sportler fit ist, an Wettkämpfen teilzunehmen.» Auch der Schweizer Ex-Schimmer David Karasek, 2012 bei Olympia in London am Start, unterstützt die Idee.
«Mein Körper, meine Wahl. Dein Körper, deine Entscheidung», sagt D’Souza im «Guardian». «Menschen, die erwachsen sind und ihre freie und informierte Zustimmung gegeben haben, sollten mit ihrem Körper machen können, was sie wollen.»
Legalisiertes Doping im Sport – das wäre nichts weniger als eine Revolution. Aber wie realistisch ist das? Gibt es so etwas wie sauberes Doping? Die Antwort beim schweizerischen Sport-Dachverband Swiss Olympic ist glasklar. «Es gibt kein sicheres Doping», sagt Sprecher Fabio Gramegna. «Swiss Olympic unterstützt die Idee der Enhanced Games nicht. Dopingmittel bergen grosse Risiken für die Gesundheit der Athletinnen und Athleten. Aus unserer Sicht wäre die Gefahr eines Missbrauchs und einer Gesundheitsgefährdung der Athletinnen und Athleten daher zu gross.»
Experte sieht Entwicklung kritisch
Befürworter der Enhanced Games argumentieren jetzt: Klar ist Swiss Olympic dagegen, schliesslich ist man dem IOC angeschlossen.
Also: Anruf bei Matthias Kamber. Der Berner Chemiker war jahrzehntelang Direktor von Antidoping Schweiz, hat die internationale Dopingfahndung aufgebaut, sieht aber gewisse Entwicklungen im Zusammenhang mit der Weltantidoping-Agentur Wada mittlerweile sehr kritisch. Kaum jemand weiss mehr über Doping als Kamber, der heute als unabhängiger Berater arbeitet. «Interessant ist die Offenlegung schon», sagt er über die Idee.
Verabreichung widerspricht ethischem Kodex
Oha. Ist da einer also Fan? Kamber lacht. «Nein. Das funktioniert nicht!» Warum? «Den Mediziner möchte ich sehen, der jemandem ein Medikament zwecks Leistungssteigerung verabreicht. Das widerspricht dem ethischen Kodex. Das wird ein seriöser Mediziner nie im Leben tun, das darf er gar nicht.» Für Kamber ist klar: «Sauberes Doping gibt es nicht. Die Pharmaindustrie produziert ja keine Mittel, die explizit zur Leistungssteigerung vorgesehen sind. Die gesundheitlichen Folgen sind langfristig nicht abzuschätzen. Wer etwas anderes behauptet, lügt.»
Davon abgesehen lacht Kamber auch über die Behauptung, ein unbekannter Athlet könne Bolts Weltrekord knacken. «Ich kann aus einem Brauereipferd kein Rennpferd machen. Es braucht Talent, es braucht Training. Doping kann das i-Tüpfelchen sein, das einen ein bisschen schneller oder stärker macht. Die Operation Aderlass hat gezeigt, dass das zweitklassige Athleten waren, die in ihrer Klasse besser wurden. Aber mehr nicht.» Für den Doping-Experten ist klar: «Das ist eine Idee, die auf den ersten Blick interessant klingt. Aber mehr nicht.»